■ Bonn-apart: Kämpfe von gestern
Im Saal 1.903 des Abgeordnetenhochhauses werden Kämpfe von gestern ausgetragen. Ungewöhnlich viele Sicherheitsbeamte des Bundestags stehen an diesem Tag vor der Tür: Männer mit kompakten Figuren und einer kleinen Anstecknadel am Revers. Hinter den Türen tagt der Schalck-Untersuchungsausschuß. Als Zeuge aufgerufen wird Herbert Mies, der langjährige Chef der DKP. Der alte Mann mit dem schweren Gesicht könnte einem DDR-Bildband aus den 70er Jahren entstiegen sein. Ausschußvorsitzender Vogel (CDU) gibt sich Mühe. Er verspricht dem Zeugen eine „entspannte Atmosphäre“ für den Fall, daß der kooperiert.
Beim letzten Auftritt im Oktober hat Mies die Aussage verweigert. Dem Ausschuß spricht er jede Berechtigung ab, die Finanzen der DKP zu untersuchen. Ein Ordnungsgeld von 1.000 Mark ist deshalb gegen ihn verhängt worden.
Nun soll er wieder Auskunft geben über die Zahlungen der DDR an seine Partei. Wieviel die Kuriere jedes Jahr über die innerdeutsche Grenze brachten, läßt sich nur schätzen – rund 80 Millionen Mark sollen es zuletzt gewesen sein. Der Funktionär fühlt sich verfolgt, will aber nicht als jemand dastehen, der kneift: „Ich komme gegen den Ratschlag meines Hausarztes.“
Hinten im Saal hat ein gutes Dutzend Zuhörerinnen und Zuhörer Platz genommen. Fast alle haben schon graue Haaren. Sie raunen, sie zischen laut, sie rufen Bemerkungen wie „Gesinnungsjustiz“ in den Saal. Der Vorsitzende droht, von seinem Hausrecht Gebrauch zu machen, falls weiter gestört wird. Zwei Ordner rücken den Alten bedrohlich nahe: alte Bilder, Schlachten von gestern.
Mies und sein Anwalt bleiben bei der Aussageverweigerung, und der Vorsitzende gibt den Beschluß bekannt, den jeder erwartet hat: Beim Amtsgericht Bonn wird er Beugehaft gegen Mies beantragen. Der alte DKP-Chef ruft zum Abschied höhnisch: „Werden Sie glücklich mit dieser Art von Vergangenheitsbewältigung.“ Ein Märtyrer in spe verläßt den Saal. Hans Monath
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