: Mildes Urteil für die „Werwölfe“
Fünfzehn und neun Jahre gegen die Hauptangeklagten wegen Mordes an einem Autofahrer / „Es war eine Mutprobe“ / Ein weiterer Prozeß beginnt in der nächsten Woche ■ Von Anja Sprogies
Berlin (taz) – Der Mordprozeß gegen vier Mitglieder der Senftenberger „Werwöfe“ fand gestern mit einem überraschenden Urteil des Cottbuser Landgerichts sein Ende: 15 Jahre für den 27jährigen Hauptangeklagten Jens-Werner Klocke und neun Jahre Jugendstrafe für den 20jährigen Daniel Langner. Damit blieb das Gericht erheblich unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft, die Lebenslänglich für Klocke und zehn Jahre – die Höchststrafe im Jugendstrafrecht – für Langner gefordert hatte.
Die beiden Mitangeklagten kamen mit vier Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren Freiheitsentzug wegen räuberischer Erpressung und schweren Raubes davon. Die Anklage lautete auf gemeinschaftlichen Mord und Verstoß gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz. Der Vorwurf, eine kriminelle Vereinigung gebildet zu haben, wurde bereits vom damaligen Bundesanwalt von Stahl fallengelassen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, daß die vier zwischen 20 und 29 Jahre alten Männer im Dezember 1991 einen Autofahrer mit mehreren Kopfschüssen getötet und danach mit Benzin übergossen und verbrannt haben. Richter Gottfried Werneberg sagte in seiner Urteilsbegründung, die Angeklagten hätten sich zu der schweren Raubtat verabredet. Grund für den Überfall waren Klockes Schulden in Höhe von 8.000 Mark gewesen, die dieser beim Kauf von Kriegswaffen und der Veranstaltung von Feldlagern gemacht hatte.
Die vier planten, das Spielcasino „Las Vegas“ zu überfallen und benötigten hierzu ein Fluchtfahrzeug. Sie täuschten eine Autopanne auf der Landstraße nach Meuro vor, und der 27jährige Familienvater Timo K. hielt, um zu helfen. Als K. sein Auto nicht herausgeben wollte, schoß Langner ihm zweimal in Kopf. Langner wurde wegen Mordes verurteilt.
Auf der Flucht schoß Klocke – selbst Vater dreier Kinder – dann ein drittes Mal auf das noch zuckende Opfer. Das Gericht ging davon aus, daß das Opfer zu diesem Zeitpunkt bereits tot war und verurteilte Klocke deswegen lediglich wegen versuchten Mordes.
Die vier „Werwölfe“ waren bei einer Razzia im Oktober 1992 aufgeflogen. Hundertfünfzig Handgranaten, Maschinenpistolen und mehrere Kampfausrüstungen wurden dabei sichergestellt, über zehn Personen festgenommen. Gegen einen beginnt nächste Woche in Cottbus ein Prozeß wegen Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz. Klocke hatte bereits im ersten polizeilichen Verhör den Mord an Timo K. gestanden. „Es war eine Mutprobe, die ich heute sehr bereue“, sagte Klocke am Ende des Prozesses.
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