: „Dagoberts“ Trick
■ Erpresser narrte Polizei und umgekehrt
Der Privatsender SAT 1, der derzeit die Geschichte des Karstad-Erpressers „Dagobert“ verfilmt, kann das Drehbuch um eine nette Episode ergänzen. Am Samstagabend hat der Unbekannte wieder einmal unter Beweis gestellt, daß er der Hamburger Sonderkommission „Dagobert“ und dem Mobilen Einsatzkommando (MEK) überlegen ist. Nur wegen einer polizeilichen Notbremse klappten das „Meisterstück“ und die Geldübergabe wieder nicht.
Nach Polizeiangaben hatte sich der Erpresser am Samstagabend vereinbarungsgemäß um 18.56 Uhr gemeldet und den Geldboten zu einer Telefonzelle in Berlin-Tegel dirigiert. Dort befanden sich ein Schlüssel und eine weitere Nachricht, durch die der Bote zu einer stillgelegten S-Bahn-Linie am Güterbahnhof Charlottenburg gelotst wurde.
Auf einer Schwelle war ein Holzkasten montiert, dessen Schloß sich mit dem Schlüssel öffnen ließ. In der Kiste befand sich ein fahrbares Schienengefährt Marke „Dagobert-Eigenkonstruktion“. Der Geldbote hatte die Anweisung bekommen, die 1,5 Millionen Mark Lösegeld auf dem 60 Zentimeter langen Gefährt zu deponieren und dann den Betriebsschalter zu betätigen. Daraufhin setzte sich die „Dagobert-Lok“ in Bewegung. „Wegen der relativ hohen Geschwindigkeit und vom Täter ausgelegten Stolperdrähten war eine sofortige Verfolgung nicht möglich“, beklagt Polizeisprecher Werner Jantosch.
Nach über einem Kilometer endete die Fahrt des „Dagobert-Geldtransports“. Während die Polizei offiziell behauptet, daß Gefährt sei abgesackt, gegen einen Schwellenbolzen geknallt und dann entgleist, liegen der taz Informationen vor, daß die Polizei durch einen ferngezündeten Sprengsatz das Gefährt zur Havarie gebracht hat. Grund: Die Polizei wollte verhindern, daß das Geld futsch ist und Dagobert wieder nicht gefangen würde. Das Geldpaket landete einige Meter weiter auf den Gleisen.
Obwohl die Knete für Dagobert greifbar nahe war - 30 Meter dahinter hatte er einen Prellbock installiert - suchte der Kaufhaus-Erpresser sicherheitshalber lieber das Weite. Als die ersten Polizisten eintrafen, war Dagobert über alle Berge - besser gesagt: im Wald nahe der Spree verschwunden.
Kai von Appen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
