Blankenburg- ade!

■ Ehemalige feierten fünf Jahre Auflösung

Um vier Uhr morgens aufstehen, sich in die Putzkolonne einreihen, danach Schals stricken, in der Kantine malochen und sich zwischendurch vom völlig überforderten Pflegepersonal beschimpfen und herumkommandieren lassen. So sah das Leben für die BewohnerInnen der „psychiatrischen Langzeitklinik Blankenburg“ aus - militärisch geprägt. Am 31.12.1988 wurde die Anstalt aufgelöst, die einstigen Insassen lebten fortan wieder unter Menschen. Ein Grund zum Feiern, wenn auch nicht ganz pünktlich, am Samstag abend im Vahrer Bürgerzentrum: „Fünf Jahre Auflösung Blankenburg - fünf Jahre zurück in Bremen“.

Zu diesem Fest a la „Hurra, die Schule brennt!“ hatten die Arbeiterwohlfahrt (AWO), die Innere Mission (IM) und der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) eingeladen. Rund 300 ehemalige BlankenburgerInnen und deren Angehörige feierten die Anstaltsschließung – würdig mit Schlips oder im Cocktailkleid oder locker in Jeans und Pulli. Das Motto brachte eine „Ehemalige“ in drastischer Eindringlichkeit auf den Punkt: „Scheiß-Blankenburg - adé!“

Diese Töne waren vielleicht einen Hauch zu rauh für die anwesende Prominenz. Gesundheitssenatorin Irmgard Gaertner und Justizsenator Henning Scherf gaben sich ein Stelldichein. Gaertner bedankte sich bei allen an der Auflösung Beteiligten, derweilen Scherf händeschüttelnd durch den Saal stakste.

Doch ganz so solidarisch, wie sich die „hohe Politik“ an diesem Abend gab, ist sie sonst nicht - wie alle, die vom Bremer Sozialetat leben, sind auch die Ex-BlankenburgerInnen betroffen: Selbst bei einer „Nullrunde“ der Zuschüsse von Stadt und Staat müßten Einschränkungen bei der Betreuung durch die AWO, IM und den ASB folgen, rechnet etwa AWO-Mitarbeiterin Anke Rösch vor, denn Unterhaltskosten und Mieten steigen. Diese Einsparungen sind jedoch noch nicht offiziell verkündet.

Da nützt es offenbar wenig, daß sich die Auflösung Blankenburgs und die Integration der Behinderten in die Gesellschaft, Interesse wie Nachahmung findet. Eine lange Warteliste von PatientInnen und Einrichtungen, die alle nach dem Konzept der Integration fragen, können die InitiatorInnen vorweisen - auch aus den neuen Bundesländern und Österreich kommen Fragen nach dem Konzept.

Anke Rönsch beschreibt das heutige Betreuungskonzept: Die PatientInnen leben in Wohngemeinschaften in den Stadtteilen. Morgens um neun kommen sie die Tagesstätten. Dort wird vormittags jeder nach Lust und Können eingesetzt. Die entstandenen Seidentücher, Holz- und Tonwaren werden später auf Basaren verkauft. Nachmittags gestalten die PatientInnen zusammen mit BetreuerInnen ihre Freizeit.

Erfolg dieser Pflege-Idee: „Die Aggressionen lassen nach, und schwere Fälle genesen.“ Schließlich: „Vor fünf Jahren hätten wir eine Feier wie diese nicht veranstalten können – das hätten die Patienten nicht ausgehalten“, erzählt Anke Rönsch.

Sie hielten aus: Bis kurz nach zehn Uhr war Remmi-Demmi im Vahrer Bürgerzentrums. Nach dem Buchtstraßen-Chor und nach Sketchen der Ex-Blankenburger Theatergruppe „Blaumeier“ konnte geschwooft werden, was das Zeug hielt. Arvid Friebe