Nicht nur Wurstfabriken sind kalkulierbar

Mehr Kultur für weniger Geld? Berlins Kulturlandschaft zittert vor weiteren Sparrunden  ■ Von Albert Eckert

Berlin läßt sich Kultur bislang noch immer viel kosten. Der Kulturetat soll 1994 um 5,4, der Gesamthaushalt nur um 2,8 Prozent wachsen. Trotz der Schließung der Staatlichen Schauspielbühnen ist damit der finanzielle Zuwachs – vor allem auf Grund von Tarifsteigerungen und höheren Zuschüssen an die Kirchen – überdurchschnittlich. Allerdings werden 108 Millionen Mark Bundeszuschuß, die im Haushalt als Kultureinnahmen ausgewiesen sind, nicht kommen, und durch die neuerliche Kürzung der Bundeshilfe droht weiteres Ungemach. Damit fehlt es 1994 an mehr als doppelt soviel Geld wie für die Staatlichen Schauspielbühnen erforderlich war. Der Senat wird es zwar kaum wagen, die Einsparung dieser 108 Millionen noch einmal dem 1993 arg gerupften Kulturbereich allein zuzumuten, doch im Doppelhaushalt 1995/96 werden angesichts der zu lange schöngeredeten Verschuldung des Landes Berlin und der brutalen Bonner Kürzungen weitere Einsparungen gefordert werden.

Die bisher einschneidendsten Kürzungen im Kulturbereich mußten neben den Theatern die kleinen Kultureinrichtungen in den Bezirken hinnehmen. Nicht genug, daß die früheren Kreiskulturhäuser und betrieblichen Kultureinrichtungen im Osten nicht mehr zur Verfügung stehen, auch Bibliothekszweigstellen, Galerien und Kunsthandwerkstudios mußten schließen, andere hielten sich bislang mit ABM-Personal über Wasser und sind nun in Gefahr.

Nun gibt es viele gute Argumente für Kulturförderung in der Zeit knapper Kassen und viele Einsparpotentiale andernorts. Als Kulturpolitiker könnte man sich darauf zurückziehen, auf den Verteidigungsetat des Bundes von 48,48 Milliarden Mark für 1994 hinzuweisen und knapp zu fordern: Bonn muß zahlen! oder: EG-Gelder müssen her! (so zuletzt Uwe Lehmann-Brauns, CDU). Diese Position unflexibler Status-quo-Sicherung ist auf Dauer gefährlich, wie der Kultursenator ja bereits erleben mußte.

Kulturbeamtentum

Schon das einfachste konzeptionelle Kriterium führt weiter: Werden die Finanzmittel effektiv eingesetzt, um die gesteckten Ziele zu erreichen? Man wird dies in Einzelfällen bezweifeln müssen. Nicht, daß Kultureinrichtungen sich wie Würstchenfabriken durchkalkulieren ließen, doch rationeller Mitteleinsatz, Kostenkontrolle und eine gewisse Einnahme-Orientierung sind auch von ihnen zu fordern. Die vom Kultursenator angestoßene Theater-Strukturreform gibt den Theatern zu Recht größere Anreize zu wirtschaftlichen Arbeiten, verschafft ihnen fünfjährige Planungssicherheit und bürdet ihnen das Risiko auf, bei Mißwirtschaft nicht unbegrenzt nachfordern zu können. Doch vieles von der erhofften Flexibilisierung findet seine Grenzen in der Rechtsform vieler Kulturstätten als nachgeordneter Einrichtung des Landes Berlin. Wer zur öffentlichen Förderung der Kultur steht, nicht aber zum bundesdeutschen Kulturbeamtentum, wird die Veränderung der Rechtsform zur Sanierung der etablierten Kulturinstitutionen, also besonders der Opern, Theater und Museen, anstreben müssen. Mehrerlei Formen bieten sich an, von der bekannt flexiblen GmbH mit der Möglichkeit, privates Kapital einzubinden, bis zur aufwendigeren Konstruktion der Stiftung, zu deren Stiftungsvermögen bei Museen die Bestände, bei Opern die Häuser rechnen können.

Doch effizienter Mitteleinsatz kann nicht das erste Kriterium der Kulturförderung sein. Es muß jenen Fragen untergeordnet werden, die zu stellen in der Vergangenheit oft versäumt wurde: Warum? Wozu? Welcher Zweck rechtfertigt die Ausgabe dieser Steuermittel? Kunst und Kultur hätten auf diese Fragen, so behauptete kürzlich forsch Wolf Lepenis im Hamburger Thalia Theater (Die Woche vom 18.11.), keine überzeugenden Antworten, weil sie es schon lange ablehnten, Wert- und Wahrheitsfragen zu stellen. Tatsächlich wird die inhaltliche Begründung beim Klageruf über den Subventionsverlust oft verweigert, wird gar die Folgenlosigkeit der eigenen Kunst noch als zeitgemäßer Stilpluralismus gelobt.

Dennoch gibt es Antworten. Erstens: Kultur und Kulturförderung sind nötig, weil ein aufgeklärtes gesellschaftliches Klima geprägt wird „von der kulturellen Bindung der Menschen, deren ästhetisches Empfinden und Urteilsvermögen sich in der Auseinandersetzung mit Kunstwerken und Kulturgütern entwickeln“ (so Bremens grüne Kultursenatorin Helga Trüpel am 24.11. in der taz). In einer Zeit zunehmender Ausländerfeindlichkeit sollte man sich diese gesellschaftliche Funktion der Kultur dringlich vor Augen halten, weswegen auch eine Institution wie das in seiner Form einzigartige Haus der Kulturen der Welt auf keinen Fall leichtfertig zur Disposition gestellt werden darf. Eine Beschneidung der Kultur führt geradewegs zur Verrohung des gesellschaftlichen Lebens – womit nicht gesagt wird, Kulturförderung könne dauerhaft davor schützen. Doch „Kultur für alle“ anzubieten, Schwellenängste zu nehmen und Bildungsbarrieren zu überwinden führt zu einer erfreulicheren Gesellschaft als die Förderung des Banausentums durch Kulturabbau.

Zweitens: Der Staat hat im Kulturbereich die Aufgabe, künstlerische Qualität zu ermöglichen, die kommerziell nicht finanziert würde. Diese strikte Qualitätsorientierung hat für den in Berlin regelmäßig kritisch beäugten Off- Bereich ebenso zu gelten wie für den traditionell großzügiger geförderten etablierten Bereich. Zur Veranstaltung künstlerisch anspruchsloser Unterhaltung braucht der Staat kein Geld zu geben. Er muß jedoch die Rahmenbedingungen (beispielsweise steuerlich) für die Kulturlandschaft so freundlich gestalten, daß eine Subventionsabhängigkeit hier gar nicht erst einzutreten braucht.

Drittens: Für Berlin und Potsdam ist die Kultur ein bedeutender Wirtschafts- und Standortfaktor. Die Kulturwirtschaft erzielt hier beachtliche Umsätze, die ohne das staatlich geförderte Kultur-Umfeld nicht denkbar wären. Touristen kann Berlin weder nur mit seiner alten Insellage (West) noch allein mit seinem herben Hauptstadt-Flair (Ost) noch gar mit den Verkehrsstaus dieser Tage locken.

Es bleibt die Frage: Wohin? Soll nach solcherlei Begründung letztendlich doch alles beim alten bleiben? Nein, vielmehr muß die Berliner Kulturlandschaft in ihren Inhalten genauso wie in ihren Organisationsformen auf die aktuellen Herausforderungen reagieren. Sie muß selbstbewußt zeigen, daß zur Kultur auch die Kunst des Haushaltens und Teilens, nicht nur die schöne Kunst der Verschwendung gehört. Die kulturellen Einrichtungen, besonders die großen, müssen durch den Willen zum Teilen dazu beitragen, daß nicht immer mehr Kultur-Arbeitsplätze abgebaut werden. Wir brauchen einen gesellschaftlichen Pakt zugunsten der Kultur, den zu schließen vorbildhaft die Spitzenverdiener im Kulturbereich beginnen sollen. Dabei darf man sich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Kultur in Berlin ohne baldigen Abschluß eines Hauptstadtvertrages Kultur mit der Bundesregierung zur Bestandssicherung unrettbar verloren ist. Es gilt, zusätzlich vorhandenes privates Kapital in großem Umfang für die Kultur zu mobilisieren. Nicht nur die gesuchten Großsponsoren, nein, alle, die Kultur fördern, müssen steuerlich dafür entschieden belohnt werden.

Überprüft man die Berliner Kulturlandschaft anhand der genannten Kritierien, so drängen sich viele Veränderungsmöglichkeiten auf. Schon angesprochen wurde die Umgestaltung der Rechtsformen, die Effizienzsteigerung und Kostensenkung oft erleichtert. Dabei darf sich der Staat nicht aus der Finanzierungsverantwortung stehlen, doch sollte er dem Kulturbetrieb seine Kameralistik weitestgehend ersparen.

Beginnen wir die Überprüfung von oben, bei der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten. Die Ausgliederung aus der früheren Verwaltung für Wissenschaft und Kunst hat zwar zu einer Stärkung der Kultur am Kabinettstisch, aber auch zu einem starken Wachstum der Verwaltung geführt. Ein Organisationsgutachten könnte im Zuge der Verwaltungsreform hier nützen. Ist es etwa für die längst nicht mehr eingemauerte Stadt noch sinnvoll, ein zentrales Referat für internationale Kulturbeziehungen zu haben? Haben nicht längst die einzelnen Institutionen ihr Beziehungsgeflecht selbst üppiger entwickelt, und könnte nicht der restliche Teil der wichtigen Aufgabe Kulturaustausch preiswerter und flexibler aus der Verwaltung ausgelagert werden?

Fahren wir fort bei den größten Institutionen, den drei Opernhäusern. Ein unverwechselbares, klares Profil bietet unstreitig die von Finanzbeamten leichtfertig ins Kürzungsgerede gebrachte Komische Oper mit ihrer lebendigen Felsenstein-Tradition, ihrem gefeierten neuen Dirigenten Yakov Kreizberg und ihren Regie-Stars Harry Kupfer und Christine Mielitz. Zwischen Deutscher Oper und Linden-Oper hingegen gibt es eine Vielzahl nicht immer fruchtbarer Überschneidungen im Profil. Schärfer konturiert erscheint dabei derzeit noch Berlins größtes Haus, die Deutsche Oper, während die Linden-Oper sich seit der Wende in einem steten Prozeß der Veränderung zur repräsentativen „Staatsoper“ befindet. Sollte nicht an diesem Haus der Repertoire- Spielbetrieb zugunsten des „staggione“-Prinzips (eine Serie von Aufführungen derselben Inszenierung hintereinander) aufgegeben und das Solisten-Ensemble zugunsten von Gastengagements aufgelöst werden? Zudem könnte die Linden-Oper für Opern-Gastspiele und große Tanzereignisse (wie zuletzt Merce Cunningham) zur Verfügung stehen. Veränderte man zudem die Rechtsform und schaffte den Behörden-Charakter der großen Opernhäuser ab, so würden erhebliche Kostenreduzierungen durch diese kulturpolitisch sinnvolle Umstellung möglich.

Noch ein Tabu: die drei Berliner Opernballette. Jede der drei klassischen Kompagnien ist gut, keine hervorragend. Jede hat zuwenig Aufführungsmöglichkeiten, führt ein Randdasein im jeweiligen Haus. Berlin gibt für klassischen Tanz wohl mehr Geld aus als irgendeine andere Stadt der Welt, doch rauschende Erfolge bleiben aus. Zudem fehlt es in Berlin immer noch an einem zeitgenössischen Tanzensemble von Rang, was nun durch die erfreuliche Übersiedelung von Johann Kresniks Tanztheater-Truppe nach Berlin für eine bestimmte Richtung gemildert werden konnte. Warum aber löst man nicht die beiden großen klassischen Ballett-Ensembles an der Deutschen und Komischen Oper auf, fördert um so entschiedener das derzeit am meisten gelobte Ballettensemble der Linden-Oper und gründet zugleich eine moderne Kompagnie, die in Berlin bereits ein viel entwickelteres und größeres Publikum vorfände, als es Bill Forsythe in Frankfurt anfangs hatte? Würde man gleichzeitig noch das seit langem geplante Tanzhaus einrichten, von der französischen und niederländischen Tanz-Infrastruktur-Förderung lernen und die Modern-Ausbildung in Berlin verbessern, so wäre Berlin binnen kurzem wieder Deutschlands Tanzmetropole und hätte dennoch Geld gespart.

Die strikte Qualitätsorientierung, die für staatliche Kulturförderung zu fordern ist, wird im Sprechtheater-Bereich teilweise offensiv vermieden. Warum müssen Off-Bühnen sich jährlich einer strengen Überprüfung durch einen künstlerischen Beirat aussetzen und können bestenfalls mit einer dreijährigen Bestandsgarantie rechnen, indes andere Privattheater Jahr für Jahr ohne Qualitätsprüfung erhebliche Subventionen erhalten? Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Ich plädiere nicht etwa für die Aushungerung der zum Teil traditionsreichen Berliner Privattheater, doch für einheitliche Maßstäbe bei der Beurteilung der Förderungswürdigkeit der Berliner Sprechbühnen.

Den Staatstheatern und den Quasi-Staatstheatern (Schaubühne u.a.) lasse man nach dem Schock der Schiller-Theater-Schließung die versprochene Freiheit, erstmals mit einem Fünfjahresbudget zu wirtschaften, Veränderungen der Rechtsform schließt das nicht aus, wohl aber das verantwortungslose Gerde von der Schließung weiterer Bühnen. Zu aller Wohl sparen könnten die Berliner Theater durch eine stärkere Kooperation im Technikbereich. Auch ohne eine Zentralisierung der Werkstätten, die letztlich größere Schwerfälligkeit schaffen würde, läßt sich vieles vereint planen. Beim gemeinsamen Kauf von Bühnenbedarf lassen sich bessere Preise aushandeln, und manches Spezialgerät muß nicht in jedem Haus angeschafft werden. Die Berliner Bühnenvereins-Mitglieder haben dazu eine Reihe von Vorschlägen präsentiert, auf deren Umsetzung zu drängen ist.

Miteinander tut not

Reformbedürftig ist seit langem die Publikumsförderung in Berlin. Schon die Grundvoraussetzung, ein möglichst einfacher dezentraler Kartenverkauf, ist nicht erfüllt. Wann endlich kommt in Zusammenarbeit von Senat, Konzertveranstaltern, Hotelgewerbe, etablierten und freien Theatern ein elektronisches Buchungssystem für alle Karten, über das man in der Theaterkasse um die Ecke das gesamte Berliner Angebot buchen kann? Auch die Förderung des Theaterbesuchs von Jugendlichen, die sich derzeit der Kultur- und der Jugendsenat teilen, sollte unter einer einzigen Verwaltung kostensparend zusammengefaßt werden.

Kommen wir zu den Museen. Eher feindselig beäugen sich die beiden Berliner „Großveranstalter“, die Staatlichen Museen Berlin Preußischer Kulturbesitz und die Landesmuseen bzw. die Museumsschlösser. Wie fruchtbar wären gemeinsame Werbeanstrengungen, frühzeitige und regelmäßige Absprachen für Ausstellungen! Doch auch ohne dies ließe sich einiges verbessern: Die technische Verwaltung von Kleinstmuseen in Landesverantwortung könnte kostensparend zusammengelegt, die Rechtsform in die der Stiftung geändert werden, wie es gemeinsam mit Brandenburg für die Schlösser und Gärten seit langem zu Recht beabsichtigt ist. Museen, die ihren Bildungsauftrag ernst nehmen, werden mit klarem Konzept ihre Bestände präsentieren, sie werden auch ausländischen Besuchern durch mehrsprachige Beschriftungen Einsichten zu vermitteln suchen und sich mit „Museums- Shops“ um eigene Einnahmen bemühen. Bei den Bezirksbibliotheken, den Kultureinrichtungen mit dem sozial breitesten Nutzerkreis, mangelt es an technischer Ausstattung. EDV-Vernetzung, ein aktueller On-line-Gesamtkatalog und dergleichen fehlen bitter. Nur zögernd werden diese vergleichsweise preiswerten und für die Zukunft der Forschungs- und Kulturnation so wichtigen Orte saniert. Vielleicht wäre es sinnvoll, sie, trotz aller sonstigen Vorbehalte gegen Zentralisierungstendenzen, als Filialen der Landesbibliotheken AGB/BSB (Amerika-Gedenk-/ Berliner Stadtbibliothek) zu betreiben, deren gemeinsame Heimat am Marx-Engels-Platz sein sollte.

Kein Wort hier zur bislang wenig effizienten Filmförderung, schließlich ist die Filmboard-Planung für Berlin und Brandenburg gut, so jämmerlich spät sie auch

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kam und so schwer sie es nun leider hat, sich gegen den Finanzsenator durchzusetzen. Ein Satz aber noch zu den erregenden soziokulturellen Zentren, die in der Wendezeit im Ostteil der Stadt entstanden (wie Kulturbrauerei, Pfefferberg und Tacheles) oder im Westen seit Jahren existieren (wie Tempodrom und Ufa-Fabrik). Wer sie leichtfertig aus Geldnot drangibt – manche im Senat täten es gerne – und nicht alles versucht, um diese kulturellen Zukunftswerkstätten zu sichern, der hat nicht begriffen, wie viel gerade diese Orte zum Ruf Berlins als pulsierender Kulturstadt beitragen.

Dies alles kann nicht zu gigantischen, nur zu moderaten Einsparungen führen. Größere Sparopfer im Kulturbereich zu verlangen hieße, das Geld an anderer Stelle mehrfach ausgeben zu müssen. Wenn der Staat Menschen im Kulturbereich massenhaft entläßt, wird er ihre Arbeitslosigkeit finanzieren müssen. Zudem wird er die vorhandenen kulturellen Freizeitgestaltungsmöglichkeiten weiter einschränken, er wird Menschen zwangsweise zu TV- und Spielautomaten-Nutzern machen. Gerade in der Rezession muß sich die Kulturnation bewähren und Kultur auskömmliche öffentlich finanzieren und privates Kapital dafür mobilisieren.

Teilen statt streichen

Freilich muß der Kulturbereich teilweise die Kunst des Haushaltens und Teilens erst wieder lernen. Das skizzierte Umbauprogramm ermöglicht einen flexibleren Mitteleinsatz und eine bessere Personaldisposition. Entlassungen sollte es dabei nur im Ausnahmefall geben. Im Kulturbereich sollte vielmehr zur Regel werden, was VW im Automobilbau gerade erprobt: Arbeitszeitverkürzung zur Beschäftigungssicherung. Nur für die untersten Lohngruppen wird es dabei vollen Lohnausgleich geben können und müssen. Bei den Besserverdienern hingegen ist Teilen angesagt. Dazu sind viele im Kulturbereich bereit, und in den freien Gruppen ist das – auf einem sehr niedrigen Einkommensniveau – alltägliche Praxis.

Ein gesellschaftlicher Pakt zugunsten der Kultur kann nur zustande kommen, wenn in den kulturellen Einrichtungen ersichtlich gespart wird, wenn bescheidener und rationeller angelegte Bühnenbilder häufiger und Traumgagen seltener werden. Es müssen nicht immer die ganz großen Namen eingekauft werden, wenn talentierter und preiswerter Nachwuchs auf seine Chance wartet. Und solange gutbezahlte Orchestermusiker nebenbei andernorts zusätzlich „Mucken machen“, solange Intendanten und Regisseure ihren auswärtigen Gastierurlaub von Berlin vergoldet bekommen, solange das Grundgehalt eines Generalmusikdirektors in Berlin soviel beträgt wie der gesamte Etat für die freien Musikgruppen, werden Sparappelle und Spendenaufrufe nicht glaubwürdig sein. Es war ermutigend zu erleben, wieviel Geld von den Musikern der Berliner Spitzenorchester zugunsten des nunmehr abgewickelten (Ost-) Rundfunkorchesters Berlin aufgebracht wurde. Solche Zeichen der Solidarität brauchen wir heute dringlicher denn je.

Tut Gutes und redet darüber, möchte man allen Gut- und Spitzenverdienern in Berlins Kulturlandschaft raten. Um gesellschaftliche Begeisterung für den Erhalt der Kultur zu wecken, braucht es Vorbilder der Solidarität gerade aus dem Kulturbereich selbst. Gegen den aus Bonn ferngesteuerten Kulturabbau hilft nur ein Pakt über alle Lager hinweg.

Der Autor (parteilos) ist für das Bündnis 90 / Grüne (AL)/UFV Mitglied des Kultur- und Rechtsausschusses des Abgeordnetenhauses.