piwik no script img

Parallele zur Atomenergiediskussion

■ betr.: „Realismus-Debatte bei den Grünen“, taz vom 10.1.94

Ist das Einlenken des Kommissionsentwurfs in das Fahrwasser einer allgemeinen Akzeptanz des Abbaus von sozialen Forderungen sowie die damit verbundene Abkehr von der Forderung der unbedingt notwendigen, radikalen Umverteilung von oben nach unten schon skandalös genug, verbirgt sich in den wenigen Zeilen des Artikels, die die Haltung der angeblich grünen Partei zur Gentechnologie betreffen, ein weiterer herber Einbruch in das insgesamt „noch gute“ Bild von Gründnis 90/Die Bühnen, das sich vor allem vor dem Hintergrund einer positionsarmen und kampflosen SPD aufbauen kann.

Die Anwendung der Gentechnologie birgt derart viele Gefahren in sich, die heute vollkommen unkalkulierbar sind, daß sich eine direkte Parallele zur Atomenergiediskussion vor wenigen Jahrzehnten wie von selbst ergibt. Das Einlenken der grünen Partei, die eine „medizinische“ oder „pharmazeutische“ Nutzung für denk- und verantwortbar hält, entspricht dabei den damaligen Positionen derer, die eine militärische Nutzung der Atomenergie ablehnten, sich eine „zivile“ Nutzung aber durchaus vorstellen könnten. Durch die Anwendung von gentechnologischen Verfahren, die unter anderem die Gefahren nicht kontrollierbarer Mutationen und Rekombinationen der Erbanlagen beinhalten, könnte sich die Gentechnologie durchaus als Fortsetzung von Harrisburg und Tschernobyl mit anderen Mitteln erweisen.

Von dem Vorschlag des amerikanischen Biochemikers Erwin Chargaff, daß mindestens ebensoviel Geld in die Prävention von gentechnischen Unfällen und in die Risikoerforschung investiert werden muß, wie für die letztlich marktwirtschaftlich verwertbare Forschung verwendet wird, sind wir nicht nur weit entfernt – noch nicht einmal das würde meines Erachtens ausreichen, um den Gefahren angemessen zu begegnen. Sebastian Lovens, Münster

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen