■ Das neue Bonner Institut für Wissenschaft und Ethik
: Ausgrenzung erwünscht

Crash-Tests mit Leichen, Menschenklone, abgetriebene Embryonen als Organ- und Gewebespender, künstliche Befruchtung bei Frauen nach den Wechseljahren, die öffentliche Empörung über die Grenzverletzungen in der Medizin und den Forschungslaboren schlug Wellen in den letzten Monaten. Allgemeiner Konsens, auch unter den Wissenschaftlern: Nicht die technische Machbarkeit darf die Grenzen festlegen. Nur: Wer bestimmt, wie weit wir gehen wollen?

Eine öffentliche Diskussion über die Biomedizin und -technologie ist überfällig. Das neue Bonner Ethik-Institut hätte ein „Kristallisationspunkt“ dafür sein können, wenn bereits in der Gründungsphase Selbsthilfegruppen, Gesundheitsorganisationen, Umweltschützer oder nicht stromlinienförmig an den Forschungsbetrieb angepaßte Wissenschaftler die Chance bekommen hätten, sich einzubringen. Doch die Gentechnologen, Humangenetiker und selbsternannten Bioethiker wollten unter sich bleiben.

Dies ist kein Einzelfall. Vor einiger Zeit erst wurde die komplette Berufungsliste für einen Ethik- Lehrstuhl bei den Tübinger Biologen gekippt, weil auf den ersten Plätzen WissenschaftlerInnen standen, die auch unbequeme Fragen gestellt hätten.

Die Ausgrenzung ist erwünscht. Im Grunde genommen ist das verständlich, denn es geht bei dem neuen Institut nicht um den Dialog zwischen Anwender und den betroffenen Bürgern, es geht auch nicht um gemeinsam aufgestellte und akzeptierte Grenzziehungen, die fehlende Akzeptanz der Öffentlichkeit ist das eigentliche „Forschungsziel“ des Bioethik-Instituts. Genauer: Es geht um eine Strategie, die unter dem Mantel der Bioethik das Machbare – und das wird von Tag zu Tag mehr – als dem Wohl der Menschheit dienend erklärt und rechtfertigt.

Im benachbarten Ausland, beispielsweise in Dänemark oder in den Niederlanden, wurden zu ähnlich strittigen Fragen „gewöhnliche Bürger“, Hausfrauen, Handwerker, Studenten, geladen. Sie durften sich in die Materie einarbeiten, sich sachkundig machen, sich streiten, diskutieren und auch grundsätzliche Fragen stellen. Ihr Votum hatte einen maßgeblichen Einfluß auf die Gesetzgebung, ob bestimmte Versuche abgebrochen werden oder die Forschungsziele weiterverfolgt werden durften. Undenkbar in unserem Land. Hier entscheiden die Experten allein, in abgeschlossenen Zirkeln. Wolfgang Löhr