„Fidel Castro besitzt auch keine Dollars“

■ Bundesweiter Kongreß der Kuba-Solidaritätsgruppen am Wochenende in Berlin

Berlin (taz) – „Kuba braucht keine Besserwessis“, ruft Heinz Hammer zu Beginn des vierten bundesweiten Kongresses der Kuba-Solidaritätsgruppen ins Mikrofon. Damit hat der Vorsitzende des Informationsbüros „Netzwerk Cuba“ die Richtung vorgegeben: „Wir können Kuba nicht vorschreiben, wie die Revolution zu retten ist.“ Fragen an die Regierungsdelegation aus Havanna werden bei der Veranstaltung in Berlin am vergangenen Wochenende deshalb nur schüchtern gestellt, Kritik unterbleibt fast völlig. Anliegen ist es, die Wirtschaftsblockade Kubas durch die „USA, EU und BRD“ zu verurteilen und praktische Unterstützung zu organisieren.

Die 250 AktivistInnen aus 42 Gruppen – fast die gesamte Soli- Bewegung war repräsentiert – wollen die Freundschaftskarawane 1994 der US-amerikanischen „PastorInnen für den Frieden“ unterstützen. In der Art einer Sternfahrt werden Ende Februar 13 Trecks aus den USA in Richtung Kuba rollen und unterwegs für die Aufhebung der Blockade werben. Der 8. März – Tag des Grenzübertritts nach Mexiko – gilt als heikelster Zeitpunkt, denn noch immer ist es US-BürgerInnen offiziell verboten, nach Kuba zu reisen. Falls die US-Grenzbehörden die Ausreise blockieren, wollen die Kuba- Gruppen Demonstrationen und Aktionen vor US-Botschaften und Amerikahäusern in ganz Europa organisieren.

AKW wird weitergebaut

Angesichts der katastrophalen Wirtschaftskrise in Kuba wird die Soli-Bewegung in Deutschland seit einigen Jahren immer stärker. Im Energiesektor etwa laufen 20 bis 30 Projekte mit deutschem Geld, die den Aufbau einer billigen und umweltfreundlichen Energieversorgung aus Biogas, Sonne und Wasserkraft zum Ziel haben. Für einen Schock bei den in Berlin versammelten Alternativenergie-Befürwortern sorgte der Gast Eugenio Maynegra, Mitglied des Energieausschusses der kubanischen Nationalversammlung. Das halbfertige Atomkraftwerk in Cienfuegos an der Südküste werde bald weitergebaut. Darüber sei ein Abkommen mit Rußland und Frankreich zustande gekommen. Kuba könne angesichts des Energiemangels auf den Atomstrom nicht verzichten, so Maynegra.

Weitere Schwerpunkte der Hilfsaktionen aus Deutschland: die Lieferung von Maschinen und Ersatzteilen. Die Arbeitsgemeinschaft „Cuba Si“ des Parteivorstands der PDS in Berlin räumt Fabrikhallen abgewickelter DDR- Betriebe leer und schickt die Technik per Schiff nach Kuba.

Am Freitag abend hatte der Abgeordnete Maynegra die depremierende Situation seines Landes mit eindeutigen Worten beschrieben. Im Durchschnitt habe jeder Kubaner Pesos in Höhe von 14 Monatsgehältern in der Tasche, ohne dafür Waren kaufen zu können. Grund für den riesigen Kaufkraftüberhang: Die Produktion der kubanischen Wirtschaft liegt am Boden. Schwarzmarkt und Inflation sind die Folge. Für die Krise ausschließlich verantwortlich seien äußere Faktoren, so Maynegra, der Zusammenbruch der Sowjetunion, die Blockade der USA, das „unfreundliche Wetter“ mit verheerenden Stürmen im vergangenen Jahr.

Mythos Revolution

Unter den überlebensgroßen Bildern des Nationalhelden José Marti und des Revolutionärs Ernesto Che Guevara – Fidel Castro fehlte in der plakativen Ahnengalerie – strickte die kubanische Delegation kräftig am Mythos der Revolution. Trotz der Krise gingen alle Kinder zur Schule, die Gesundheitsversorgung sei weiterhin für alle kostenlos. Zumindest teilweise jedoch stimmt dieses Bild mit der kubanischen Realität nicht mehr überein. Beispielsweise gibt es in den Apotheken kaum noch Medikamente.

Mit begeistertem Beifall nahm der Kongreß die Versicherung des Genossen Maynegra auf, die Regierung werde vorsichtige Reformen durchführen, „die sozialistischen Prinzipien aber nicht in Frage stellen“. Eine Mitstreiterin der PDS fragte die Vorsitzende der kubanischen Pionierorganisation, wie es gelänge, „die Jugend ideologisch für die Revolution zu begeistern“.

Und kritische FragerInnen gaben meist ihrer Befürchtung Ausdruck, durch die Legalisierung des Dollarbesitzes könnte Kuba sich schon zu weit vom sozialistischen Weg entfernt haben.

Einmal nur wurde der Konsens durchbrochen. Ob die Nomenklatura, Fidel Castro eingeschlossen, unter den gleichen Bedingungen lebe wie die Bevölkerung, oder ob ein karibisches Wandlitz mit besserer Verpflegung und Dollarbesitz existiere, wollte ein Teilnehmer wissen. Die Elite der Partei kaufe in denselben Geschäften wie die Bevölkerung und esse nicht mehr als auf den Rationierungskarten verzeichnet sei, mußte Eugenio Maynegra antworten. Fidel Castro besitze auch keine Dollars. Hannes Koch