■ Das Portrait
: Boris Fjodorow

Neuer alter russischer Finanzminister? Foto: Reuter

Ihm geht der Ruf voraus, eine besonders „harte Nuß“ zu sein. Boris Grigorjewitsch Fjodorow bekleidete seit Dezember 1992 das Amt des russischen Finanzministers im Range eines stellvertretenden Vizepremiers. Neben Reformarchitekt Gaidar verkörperte gerade er den zähen Willen einer jungen Politikergeneration, Rußland von Grund auf zu reformieren. Bittstellern aus Industrie und Landwirtschaft, die bei ihm um billige Kredite die Hand aufhielten, erteilte er eine brüske Abfuhr. Seine Unbeugsamkeit brachte ihm im Milieu der Subventionspotentaten bittere Feinde ein, den Russen brachte er dagegen 1993 einen zehnprozentigen Kaufkraftgewinn und ein monatliches Durchschnittseinkommen von 100 US-Dollar (1992: 8 Dollar).

Dennoch würde Premier Tschernomyrdin Fjodorow wohl gerne loswerden. Seinen Rücktritt hat er zwar noch nicht angenommen. Ihn jedoch degradiert zum einfachen Minister mit weniger Kompetenz als der Mann für die Landwirtschaft.

Jelzin und Tschernomyrdin beißen sich seit Tagen an Fjodorow die Zähne aus. Der Präsident möchte ihn halten, sein Premier aber die Bedingungen nicht erfüllen, die der selbstbewußte Minister gestellt hat. Die Entlassung des Zentralbankchefs Geraschtschenko, der sich in der Rolle des Weihnachtsmannes gefällt, und die Entfernung des Agrarlobbyisten und neuen Vizepremiers Saverjucha.

Anders als die bestenfalls muttersprachlich fließenden Altfunktionäre, die sich derzeit der Regierung bemächtigen, verkörpert Fjodorow einen weltläufigen und weltoffenen Typ, der sich auf dem internationalen Parkett auskennt. Er vertrat Rußland bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau in London und der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung in Washington. Schon als KPdSU-Mitglied befaßte er sich intensiv mit dem Klassenfeind. Seine Dissertation schrieb er 85 über die „Organisation und ökonomische Rolle der Warenbörsen in entwickelten kapitalistischen Ländern“. Kein Wunder, daß das Zentralkomitee der KPdSU ihn sofort zum Berater machte. Unter Gorbatschow verfaßte er das 500-Tage-Reformprogramm mit, das nie umgesetzt wurde. Sollte Fjodorow gehen, verläßt ein Vertreter des europäischen Rußlands die Bühne. Klaus-Helge Donath