: Karl-Marx-Allee: Allen recht getan?
■ 1.000 Mieter bei Versammlung zum Verkauf der Prachtstraße / Neuer Eigentümer will Imobilienfonds / Mieterschutz angeblich wasserdicht / Bündnis 90/Grüne stellen genossenschaftliches Gegenkonzept vor
Als Henning von der Lancken das Rednerpult betrat, herrschte Stille. „Einen größeren Saal“, entschuldigte sich der Geschäftsführer der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain (WBF), habe man nicht finden können. „Und der Palast der Republik?“ rief einer aus dem Publikum. Gelächter. Dann Beifall. Doch den bekam am Ende auch der WBF-Geschäftsführer, obwohl der sich noch vor Beginn der Mieterversammlung darum gesorgt hatte, „unbedingt die Fluchtwege freizuhalten“.
Daß sich die WBF am Montag abend in der überfüllten Kongreßhalle am Alexanderplatz den Fragen von über 1.000 MieterInnen der Karl-Marx-Allee stellte, hatte den Grund: Mit dem Käufer der Allee, der Deutschen Pfandbrief- und Hypothekenbank (DePfa) war offenbar Einigung über den Mieterschutz erzielt worden. „Kündigungsschutz, Umwandlungs- und Zweckentfremdungsverbot“, so Henning von der Lancken, sollen so bald wie möglich als Anhang in die einzelnen Mietverträge festgeschrieben werden. „Und Modernisierungen“, versprach Ulrich Storck, Vorstandsmitglied der DePfa, „werden hauptsächlich im Bereich der Wärmedämmung vorgenommen.“ Der größte Teil der auf nur drei Jahre angesetzten Sanierungsarbeiten diene der Instandsetzung und sei somit nicht auf die Miete umzulegen. „Außerdem“, versicherte Storck, „werden alle Modernisierungsmaßnahmen mit den Mietern abgestimmt.“ Bereits zuvor hatte die WBF der Forderung des Mietervereins nach Mieterbeiräten ihre Zustimmung erteilt.
Der Berliner Mieterverein bleibt skeptisch. Wie sein Geschäftsführer, Hartmann Vetter, sagte, widersprächen sich zum Teil die ausgehandelten Schutzbestimmungen, so daß vor Gericht für die Mieter keine eindeutige Sicherheit herrsche. Ein weiteres Problem sei die Frage, was mit der Karl-Marx- Allee am Ende der Laufzeit des von der DePfa avisierten geschlossenen Immobilienfonds geschehe. „Wer weiß, was es dann für Möglichkeiten gibt, die Miete zu erhöhen“, so Vetter.
Auch Elisabeth Ziemer, baupolitische Sprecherin der Berliner Grünen, will den Versprechungen von WBF und DePfa nicht so recht glauben. „Nach den bisherigen Berechnungen“, sagte sie, entstehe bei der Sanierung eine Kostenmiete von 18 Mark pro Quadratmeter. Die zur Subventionierung angestrebten 250 Millionen aus Steuergeldern seien bisher vom Abgeordnetenhaus aber noch nicht bewilligt worden.
Ziemer tritt daher für ein genossenschaftliches Gegenkonzept ein, das im Auftrag der Grünen vom Sanierungsträger Stattbau erarbeitet und ebenfalls am Montag vorgestellt worden war. Nach diesem Konzept würde es ausreichen, wenn die Hälfte der verkauften 2.676 Wohnungen von den Mietern als Eigentumswohnungen oder über Mietkauf erworben werden. Billig würde freilich auch diese Privatisierung nicht werden. „Durchschnittlich 200.000 Mark“, errechnete Stattbau-Geschäftsführerin Franziska Eichstätt, müßten für den Erwerb einer Wohnung aufgebracht werden, beim Mietkauf über einen längeren Zeitraum wären monatlich zusätzlich sechs Mark pro Quadratmeter zu zahlen. „Diese Zahlen“, schränkte Eichstätt aber ein, seien anhand der Eckwerte der Karl-Marx-Allee errechnet. Uwe Rada
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