■ Mit Verkehrskosten auf du und du: Auch Schmerz kostet
Berlin (taz) – Ein Mann liegt auf der Straße, angefahren. Der Rettungshubschrauber kommt. Das kostet. Er liegt fünf Wochen im Krankenhaus und kann nicht arbeiten. Das kostet. Der Mann muß anschließend wöchentlich zur Krankengymnastik. Wieder neue Kosten. Immerhin: Wäre er einer der 55.000 Toten, die jedes Jahr auf Westeuropas Straßen sterben, wären die Kosten noch höher – denn schließlich könnte er dann das Bruttosozialprodukt nicht mehr steigern, würde nichts mehr verkonsumieren und somit die Wirtschaft nicht in Schwung halten. Die Kosten trägt die Allgemeinheit in Form von SteuerzahlerInnen oder Krankenkassenmitgliedern. Der Verursacher des Unfalls wird hingegen nur marginal zur Kasse gebeten.
„Menschenleben sind kostbar, also sollten sie nicht kostenlos sein“, schreibt der Verkehrsclub Deutschland (VCD), der gestern eine Studie des europäischen Verkehrsverbandes für Verkehr und Umwelt (T u. E) vorstellte. Darin wird erstmals für elf Länder vorgerechnet, welche externen Kosten der Auto-, LKW-, Eisenbahn- und Luftverkehr verursacht. Selbst das Leid der Opfer soll für die NutzerInnen von Fahrzeugen nicht gratis zu haben sein. Als Berechnungsgrundlage gilt die durch Umfragen ermittelte Zahlungsbereitschaft der Bevölkerung, um das persönliche Unfallrisiko zu vermindern. Neben Luftverpestung, Straßenneubau und -abnutzung gingen auch die Auswirkungen von Lärm in die Bilanz der Forscher ein – immerhin macht der Verkehr entschieden den meisten Krach in den westlichen Industrieländern. Zugrundegelegt haben die Wissenschaftler nicht nur Kosten für Dreifachverglasung und Lärmschutzwände, sondern auch den Wert, den ein Haus durch die Lage an einer großen Straße einbüßt: rund 0,5 Prozent pro Dezibel. Somit gehen etwa 0,2 Prozent des Bruttosozialprodukts durch Verkehrslärm verloren.
Summa summarum kommen die Forscher zu dem Schluß, daß jeder Kilometer, den eine Person mit dem Auto zurücklegt, 6,63 Pfennig mehr kosten müßte als heute. Auch die Bahn ist noch zu billig – aber immerhin nur 0,93 Pfennig pro Personenkilometer. Die Fluggäste müßten 3,57 Pfennig für 1.000 Meter drauflegen, schlagen die Forscher vor. Nur so könnten die 46 Milliarden D-Mark zusammenkommen, die in Westdeutschland bisher ungedeckte Verkehrskosten sind.
Dabei ist das für die Verkehrsverursacher noch eine sehr günstige Rechnung, betont der VCD. Denn wo die Daten aus einigen Ländern fehlten, wie zum Beispiel bei Rußpartikeln und Landschaftsverbrauch, verzichteten die Forscher auf eine Berechnung. aje
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