: Die Miesen mit dem Müll
■ Stadtreinigung rechtfertigt drastische Müllgebührenerhöhung / Schuld sind Schönberg und der Grüne Punkt Von Marco Carini
In „eine delikate Situation“ sah sich Behrend Krüger, Chef der Hamburger Stadtreinigung, durch die „Indiskretion“ gebracht. Um 25 Prozent, so hatten taz und andere hanseatische Medien gestern berichtet, werden die Müllgebühren noch in diesem Jahr klettern. Eine Zahl die „im Möglichkeitsbereich“ liegt, räumte Krüger ein, was einer Bestätigung gleichkommt. Denn da Senat und Bürgerschaft über die „anstehende Gebührenanpassung“ zu entscheiden haben, darf Krüger keine „präjudizierenden Festlegungen“ in der Öffentlichkeit verbreiten.
Doch auch ohne offizielles Kopfnicken des Stadtreinigungs-chefs läßt sich aus den gestern von Krüger vorgelegten Zahlen leicht hochindiskretionieren: Um 34,7 Millionen Mark lagen die eingenommenen Hausmüllgebühren unter den Kosten für die Entsorgung dieser Abfälle. Blieben die Gebühren auch 1994 stabil, würde die Stadtreinigung nach ihrer eigenen Prognose weitere 51,4 Millionen Mark Miese im Hausmüllbereich einfahren. Um die Defizite auszugleichen, müßten die Gebührenerlöse von vorausberechneten 318 Millionen Mark auf 406,1 Millionen Mark steigen: um gut 25,2 Prozent.
Zwei Gründe nennt die Stadtreinigung für die immer weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben: Die von der Stadtreinigung zu ent-sorgende Hausmüllmenge lag 1993 mit insgesamt 975.000 Tonnen um 35.000 Tonnen höher als erwartet. Schuld daran habe das Duale System, das bei weitem nicht soviel Grüne-Punkt-Verpackungen aus den häuslichen Abfall fischte wie erwartet. Weit schwerer aber wiegt die im vergangenen Jahr inkraftgetretene Erhöhung der Deponierungspreise in Schönberg um über 30 Prozent. Da hier noch immer fast 500.000 Tonnen des Hamburger Hausmülls seine letzte Ruhestätte findet, habe der Schönberger Preisschub auf die Bilanz der Stadtreinigung „voll durchgeschlagen“.
Daß mit dem rund 25prozentigen Preisschub das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist, daran läßt Krüger keinen Zweifel. Die Schönberg-Betreiber haben für 1995 bereits eine weitere „Anpassung“ der Deponierungskosten angekündigt, und die neue Müllverbrennungsanlage in der Borsigstraße „entsorgt“ den Müll schadstoffärmer und dadurch teurer als ihre Vorgängerin an gleicher Stelle. Doch da schon 25 Prozent Gebührenerhöhung ganz furchtbar klingt, haben sich die Stadtwerker bereits einen schönen Trick überlegt: Sie wollen jeden Haushalt mit einer Grundgebühr von acht Mark monatlich belasten und so die differenzierten Tonnen- und Containergebühren um weniger als 20 Prozent steigern. Ein schönes Zahlenspiel, doch hinters Licht führen lassen wird sich davon niemand.
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