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Empörender Eingriff

■ betr.: „Dem Apparat hilflos ausge liefert“ (Medico-Watch), taz vom 22.1.94

[...] Ausgerechnet gegen die Darstellung einer menschlicheren Medizin richtet sich die Kritik der ÄrztInnen, die sich in ihrer Apparategläubigkeit durch das in diesen Serien dargestellte Image bedroht sehen. Hier sind ganz offensichtlich handfeste wirtschaftliche Interessen im Spiel, die in einem Artikel über „Medico-Watch“ ruhig etwas kritischer hätten beleuchtet werden sollen. Denn nicht zuletzt beruht der Erfolg von Serien wie „Der Landarzt“ auch auf einer allgemein empfundenen Sehnsucht nach einem menschlichen Kontakt zwischen ÄrztInnen und PatientInnen, der als ein anzustrebendes (und manchmal sogar verwirklichtes) Ideal durchaus seine Berechtigung hat. Nicht von Realitätsverlust sollte hier geredet werden, sondern von den Möglichkeiten, die dem Hausarzt gegenüber dem nächstgelegenen Krankenhaus und der darin als nötig erachteten Apparatemedizin einen gewissen Spielraum belassen könnten.

Daß zwischenmenschliche Kontakte und Kenntnis der familiären Situation oder der Geschichte des Patienten durchaus zur Gesundung beitragen, ja manchmal sogar den einzigen Weg dorthin eröffnen, ist dieser Ärzteinitiative ein Dorn im Auge, denn viele Patienten, so klagen sie, seien nun vom Mißtrauen gegen allzu viele Pillen und Maschinen durchdrungen. Und obwohl kein Freund der Fernsehserien, mit denen wir überschwemmt werden, halte ich den Versuch, das TV-Gerät aus dem oben genannten Grunde aus den Krankenzimmern zu verbannen, für einen geradezu gefährlichen und empörenden Eingriff einer Berufsgruppe zur Durchsetzung ihrer eigenen (wirtschaftlichen) Interessen. Der „Halbgott in Weiß“ zeigt hier, daß er sich auch wirklich als ein solcher fühlt.

Meiner Ansicht nach stellen sich diese ÄrztInnen mit dieser Art von Protest ein großes Armutszeugnis aus. Besäßen sie selbst die in den Medien – wenn auch meistens kitschig – dargestellte Humanität, dann würden sie ihre Energien und Aktivitäten sicher auf andere Ziele richten: Da gibt es zum Beispiel Ärzteinitiativen gegen Krieg und Atomkraft, gegen Kindesmißhandlung und Chemiekonzerne, die unsere Gesundheit ruinieren. Hier liegt wohl mehr Grund zu Protest oder – um ein Modewort zu gebrauchen – mehr „Handlungsbedarf“ vor als bei diesem Kampf gegen ein positives Image, dem man nicht nachkommen kann oder nicht nachzukommen bereit ist. Marianne Schmidt, Berlin

Anmerkung d. Red.: Der Artikel war ein Fake.

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