...ab geht die Klamotte!

■ Robin Williams in Stützstrumpfhose als "Mrs. Doubtfire" / Jungregisseur Chris Columbus hat versucht, einen "sehr realistischen Film" zu machen

Männer sind die besseren Frauen! Männer sind auch die besseren Mütter – nur merkt das keiner. Deshalb werden auch in Scheidungsverfahren meist immer den Frauen die Kinder zugesprochen. Die Väter tun sich dann mit anderen Erniedrigten und Gedemütigten in Männergruppen zusammen, heulen im Rudel und halten es mit Shakespeares Shylock: „Wenn ihr uns stecht, bluten wir nicht? Wenn ihr uns kitzelt, lachen wir nicht? Wenn ihr uns vergiftet, sterben wir nicht? Und wenn ihr uns beleidigt, sollen wir uns nicht rächen?“ Der letzten Frage kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, denn Männer kennen auch ihren Hemingway: „Niemals aufgeben!“

Daniel Hillard (Robin Williams) ist so eine gequälte Kreatur. Obwohl ein absolut mustergültiger Papa, der für einen Kindergeburtstag das gemütliche Heim zur gleichen Zeit in einen Zoo, einen Zirkus und eine Disco verwandelt und mit der Brut zum HipHop von „House of Pain“ auf dem Wohnzimmertisch wie ein waschechter Geto Boy rapt, wird ihm per Gerichtsbeschluß das Vatersein verboten. Traurig. Ungerecht. Rache! Wie sagte Shylock doch so schön: „Die Bosheit, die ihr mich lehrt, die will ich ausüben, und es muß schlimm hergehen...“ Und ab geht die Klamotte.

Hillard ist schließlich ein arbeitsloser Schauspieler, hat zweifellos „Tootsie“ gesehen und obendrein noch einen Bruder (herrlich tuntig: Harvey Fierstein), der ein begnadeter Maskenbildner ist. So steht denn der Metamorphose nichts mehr im Wege: Aus Mr. Hillard wird Mrs. Doubtfire, die auch prompt den Job als Kindermädchen bei seiner Geschiedenen (Sally „Nicht ohne meine Tochter“ Field) bekommt. Jetzt endlich kann Regie-Shootingstar Chris Columbus, Schöpfer der beiden „Kevin“-Filme, sein Gag-Feuerwerk abbrennen, und es zündet. Sämtliche Witze, die man aus diesen Männer-in-Frauenkleidern- Filmen kennt, werden gemacht und noch ein Dutzend neue dazu. Die unvermeidliche Demaskierungsszene, spannend in die Länge gezogen, ist einfach nur zum Brüllen.

Für Knallschote Robin Williams war die Rolle der 62jährigen Schottin Euphegenia Doubtfire natürlich weniger eine Herausforderung als vielmehr ein Riesenspaß. Er läßt richtig die Sau raus, und er ist komisch – als Mrs. Doubtfire. Als Daniel Hillard ist er manchmal kaum zu ertragen. Wenn er vor Gericht mit Tränen in den Augen jammert, er könne ohne seine Kinder nicht leben, dann tropft zäher Schmalz von der Leinwand. Hätte Chris Columbus sich darauf konzentriert, einfach nur eine Gaga-Komödie zu inszenieren, hätte die Sache mit Sicherheit funktioniert, denn das kann er, hat er bewiesen. Aber diesmal wollte er etwas mit Anspruch abliefern, diesmal hatte er sich vorgenommen, „einen sehr realistischen Film“ zu drehen, und das ging, teilweise zumindest, schwer in die Hose. Denn der ständige Wechsel vom Zwerchfellkitzeln zum Tränendrüsendrücken nervt gewaltig. „Kramer gegen Kramer“ als Witz ist nicht witzig. Außerdem fragt man sich sowieso, wie diese kreuzbrave amerikanische Familie eigentlich auseinanderbrechen konnte. Die Kinder sind so lieb, so unschuldig und gehorsam, wie sie selbst in Fernsehserien nicht mehr zu sehen sind, der Vati das Paradebeispiel eines verständnisvollen Erziehers, nur gerade mal arbeitslos, und die Mami will sich nur ein bißchen selbstverwirklichen, nur ein klitzekleines Stückchen Karriere machen – das ist keine Geschichte, die das Leben schrieb. Geschenkt. Läßt man den Schmalz und das Hohelied der Familie beiseite, bleiben immer noch Robin Williams' Stützstrumpfhose und jede Menge Lacher. Karl Wegmann

„Mrs. Doubtfire“, Regie: Chris Columbus, mit Robin Williams, Sally Field, Pierce Brosnan u.a.; USA 1993; 125 Min.