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Das Fernweh der Umweltfreunde

Ernüchternde Studie zum Reiseverhalten von Naturschützern: Zweimal im Jahr packen die Ökologen ihre Koffer und brausen im Auto am liebsten ins Ausland. Die Umwelt bleibt auf der Strecke  ■ Von Manfred Kriener

Eine neue Untersuchung bestätigt, was wir schon immer ahnten: Naturschützer und Ökologen sind keineswegs die besseren Menschen. Im Gegenteil, Herr Dumpfmeier, der sich einmal im Jahr mit seinem „Golf“ im Dauerstau gen Österreich oder Spanien quält, ist für das angeschlagene Ökosystem Erde weit bekömmlicher als die meisten Umweltaktivisten. Mag er noch so viele Bierdosen verbrauchen. Der Trierer Geograph Bert Hallerbach hat jetzt das „Reiseverhalten von umweltbewußten Personen“ analysiert. Bei einer Befragung von 201 Umweltaktivisten in Rheinland-Pfalz zeigte sich ein deutlicher Negativtrend für die Umwelt. Die Aktivisten verreisen sehr viel häufiger als der durchschnittliche Pfälzer Normalbürger, und sie benutzen dabei als wichtigstes Verkehrsmittel genauso oft das Auto oder Flugzeug wie der Rest der Bevölkerung.

Seine Kohorte hatte Hallerbach vor allem unter Mitgliedern des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) und des ökologischen Verkehrsclubs VCD in Rheinland-Pfalz und im Saarland rekrutiert. Auch einige Greenpeace-Mitglieder wurden befragt. Der junge Wissenschaftler ermittelte dabei für das Jahr 1991 eine generelle Reisetätigkeit – Urlaub von mindestens fünf Tagen Dauer – bei 82,5 Prozent der Naturschützer. Tendenz steigend. Zum Vergleich: Die westdeutsche Bevölkerung verreiste nur zu 67 Prozent, die Pfälzer sogar nur zu 55 Prozent. Und es bleibt nicht bei einer Reise: Zweimal pro Jahr packt den Umweltfreund das Fernweh und der seinen Koffer. Normalbürger verreisen dagegen nur 1,2mal im Jahr.

Auch die Reiseziele wurden untersucht. Rund drei Viertel der Urlaubsreisen führen bei den Umweltaktivisten ins Ausland, umweltverträglichere Kurzreisen im Inland bilden mit 26 Prozent die Ausnahme. Damit steht die Gruppe der Umweltengagierten erneut schlechter da als der Rest der Bevölkerung mit immerhin einem Drittel Inlandsreisen. Kommentar des Autors: „Auch bei der Reisezielwahl zeigt sich, daß die Forderungen des sanften Tourismus von den Naturschützern nicht angenommen werden.“

Wichtigstes Verkehrsmittel für die Urlaubsreise bleibt das Auto. Ähnlich wie der Rest der Bevölkerung braust der Umweltaktivist am liebsten mit seinem PKW (47 Prozent) gen Süden, mit Vorliebe nach Frankreich. Bei der Bahnbenutzung (25 Prozent) liegen die Umweltfreunde zwar deutlich in Front gegenüber dem Pfälzer Durchschnittsbürger (13,4 Prozent). Diesen Vorsprung in der Schadstoffbilanz verspielen sie allerdings durch ihre Verweigerung gegenüber dem Omnibus, durch eine stärkere Nutzung des Wohnmobils und eine kaum reduzierte Zahl von Flügen. Fahrrad oder Schiff spielen als Verkehrsmittel kaum eine Rolle. Die Naturschützer benutzen also im selben Ausmaß dieselben ökologisch bedenklichen Verkehrsmittel wie die übrige Bevölkerung.

Daß sie sich auch in Sachen Reisezeit dem allgemeinen Trend anschließen und hauptsächlich während der Hochsaison in den touristisch überlasteten Monaten Juli oder August im Stau stehen, überrascht dann genausowenig wie die Höhe der Reiseausgaben, die mit einem Jahresbudget von 2.873 Mark um 303 Mark über den Pfälzer Vergleichszahlen liegen. Gibt es gravierende Unterschiede zwischen beiden Gruppen? Durchaus: Naturschützer besitzen mehr Geld und eine höhere Schulbildung. Sie machen sehr viel häufiger Camping-Urlaub und wohnen seltener im Hotel. Ihr wichtigstes Reisemotiv ist das Naturerlebnis. Sie wandern öfter oder fahren mit dem Rad, während der Durchschnittspfälzer gerne am Strand liegt oder auf der Veranda seiner Ferienwohnung döst. Naturschützer lesen mehr im Urlaub, besuchen häufiger Museen, Kirchen, Naturparks und klettern gern auf Berge. Der Normalpfälzer geht dafür öfter in die Disco, unternimmt Ausflüge und fotografiert oder filmt.

Die Studie zeigt, daß die Forderungen der Naturschutzverbände weitgehend ignoriert werden. So fordert der BUND, die Reiseintensität zu reduzieren und gelegentlich auf eine Urlaubsreise zu verzichten. Weitere Empfehlungen: Öfter mal im Inland verreisen, die zurückgelegte Strecke minimieren, die Reisezeiten gleichmäßiger übers Jahr verteilen, öffentliche Verkehrsmittel wählen. Nichts davon wird von den eigenen Mitgliedern beherzigt.

Entsprechend ernüchternd liest sich das Fazit von Hallerbach: Die Naturschutzbewegung muß sich „intensiver mit den Beziehungen zwischen Tourismus und Umwelt beschäftigen“. Das Bewußtsein, schon im Alltag viel für die Umwelt zu tun, dient offenbar „zur Legitimation des eigenen (problematischen) Reiseverhaltens“.

Sind die Naturschützer jetzt ganz besonders miese Öko-Heuchler? Die Studie belegt eindrucksvoll, daß es selbst die am stärksten motivierte und engagierte Gruppe nicht schafft, ihr Freizeitverhalten mit der Umwelt in Einklang zu bringen. Appelle an die Verzichtbereitschaft und ans ökologisch- moralische Gewissen gehen selbst bei der eigenen Mitgliedschaft so lange ins Leere, wie attraktive und bequeme Alternativen fehlen. Wer schulpflichtige Kinder hat, kann eben nicht im Mai ins Allgäu fahren. Wer provenzalische Weingüter besuchen will, wird dies schlecht mit der Bahn bewerkstelligen. Und im Vergleich mit dem Charme Italiens oder Südfrankreichs wirken deutsche Mittelgebirge auf Dauer doch etwas bieder.

Hallerbachs Studie hält den häufig missionarisch auftretenden Naturschützern den Spiegel vor. Und sie rehabilitiert den vielgescholtenen Normalbürger, der uns in Sachen Öko-Bilanz vermutlich locker in die Tasche steckt.

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