: USA finanzieren Fertigbau von tschechischem AKW
■ Österreich protestiert gegen grenznahe AKW in Osteuropa / Aber die Alpenrepublik importiert AKW-Strom und liefert vermutlich Ausrüstung
Wien (taz ) – Der ganze Widerstand hat nichts genützt. Donnerstag abend fiel die Entscheidung über den Fertigbau des tschechischen Atomkraftwerkes Temelin in Washington. Die Export-Import-Bank Exim übernimmt die Garantie für Kredite zur Finanzierung des Fertigbaus in der Höhe von rund vier Milliarden Schilling.
Wegen des Fertigbaus des AKWs in Temelin durch das US- Unternehmen Westinghouse war es in den letzten Monaten zu einem geharnischten Briefwechsel zwischen Österreich und Tschechien gekommen. Nachdem sich direkte Verhandlungen zwischen den Regierungen in Wien und Prag als wirkungslos erwiesen hatten, versuchte die Alpenrepublik, auf diplomatischer Ebene die Finanzierungszusage durch die amerikanische Export-Import-Bank zu verhindern. Alle Ausschußmitglieder fanden ein fact sheet darüber in ihrer Post.
Kein westlicher Standard für Temelin möglich
Die Österreicher fühlen sich vom nur 150 Kilometer von der Millionenstadt Wien entfernten AKW bedroht. Die Integration westlicher Technologie in ein Kraftwerk russischer Konstruktion (WWER- Typ) sei schließlich bisher nirgends auch nur in Versuchen durchgeführt worden. Außerdem wäre Temelin auch nach der Aufrüstung der beiden 1.000-Megawatt- Blöcke durch Westinghouse nirgends in Westeuropa oder den USA genehmigungsfähig. Zudem wolle weder der russische Hersteller noch Westinghouse die volle Verantwortung für die Sicherheit des AKWs übernehmen. Etwa 90.000 Österreicher haben nun schon vorsorglich bei Westinghouse Schadenersatzforderungen für den Fall des Falles in der Höhe von insgesamt drei Billionen Schilling angemeldet.
Temelin ist nicht das einzige AKW, gegen das die Österreicher Sturm laufen. In Tschechien ist das nur 35 Kilometer von der Grenze entfernte AKW Dukovany ein weiterer Stein des Anstoßes. In Dukovany wird zudem noch ein Zwischenlager errichtet. Von einer Beteiligung Österreichs im Genehmigungsverfahren, ähnlich wie in Wackersdorf, ist bei den tschechischen Behörden keine Rede mehr. Das österreichische Umweltministerium hat die Sache schlicht verschlafen.
Harte Auseinandersetzungen um grenznahe AKWs führt Österreich auch mit der Slowakei. Das „Schrott-AKW“ im slowakischen Bohunice wurde schon vor zwei Jahren als „untragbar unsicher“ qualifiziert. Abgeschaltet wird Bohunice aber nur, wenn ein anderes slowakisches AKW fertiggebaut wird. An dem anvisierten Standort Mochovce, 150 km östlich von Wien, herrscht jedoch zur Zeit Ruhe. Es fehlt am Geld, um das AKW fertigzubauen. Rund eine Milliarde Mark wäre dafür notwendig, die Hälfte davon sollte von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) und der Euratom bereitgestellt werden.
Eine Entscheidung soll im März nach Abschluß einer Rentabilitätsstudie fallen. Die Electricité de France und Bayernwerk stehen in den Startlöchern, um den Bau russischen Typs fertigzustellen. Von Siemens soll die „westliche Sicherheitstechnik“ kommen. Eine Betriebsgenehmigung würde Mochovce jedoch in keinem westlichen Land bekommen.
20 Prozent der Stromimporte aus AKW
Die Atompolitik Österreichs hat aber auch eine andere Seite. Während etwa ganz Österreich gegen die Errichtung des Atomlagers im tschechischen Dukovany Sturm läuft, soll sich die Linzer Firma MCE, eine Tochter der staatlichen Voest, über die tschechische Stahlbaufirma Vitkovice um eine Auftragsbeteiligung an der Fertigung der 110 Tonnen schweren Behälter beworben haben, die das Herz des risikoträchtigen Zwischenlagers bilden. Das jedenfalls sagt der Atomsprecher der Grünen, Fritz Holzinger. MCE dementiert dies allerdings. Vor kurzem wurde aber immerhin publik, daß die Voest um einen Milliardenauftrag bei einem Atommeiler in Taiwan kämpft.
Es geht aber noch absurder: Sollte die EBRD tatsächlich Geld für den Fertigbau von Mochovce lockermachen, dann wäre Österreich als Aktionär der EBRD (Einlage 450 Millionen Mark) Mitfinanzier des grenznahen AKWs.
Wegen seiner ambivalenten Atompolitik mußte sich Österreich schon internationale Kritik gefallen lassen. So forderte Deutschlands Umweltminister Töpfer von Österreich, es sollte zuerst den Atomstromimport aus der Ukraine stoppen. Laut einer Anfragebeantwortung im deutschen Bundestag hat Österreich zudem 1992 3.088 Gigawattstunden aus der Slowakei importiert. Das wiederum entspricht in etwa einer bereitgestellten Leistung von 400 MW – soviel wie ein Block im Schrottreaktor Bohunice produziert. Wahrscheinlich sei dabei, daß ein Teil des Stroms an Deutschland weitergeliefert wurde, da die Slowakei einen 50-Millionen-Mark-Kredit für das AKW Mochovce, den Bayernwerk gewährte, mit Hilfe von Stromlieferungen zurückzahlen müsse, meint Holzinger.
Die österreichische Energieverwertungs-Agentur schätzt, daß Österreichs Stromimporte zu rund 20 Prozent aus AKW stammen, die Hälfte davon aus deutschen Reaktoren. Im österreichischen Umweltministerium meint man dazu: „Strom hat kein Mascherl“, soll heißen: Woher der Strom kommt, läßt sich nicht nachvollziehen. Christoph Silber
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