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Das Warten auf die nötige Schräge

■ fools of sport: Schulzirkus Pampel Muse feierte am Sonnabend im Curio-Haus 5. Geburtstag

David Copperfield und seine Harley sind zerknautscht. Der Magier und sein Feuerstuhl schlüpfen aus einem schwarzen Kasten, dessen Leere durch drei hohle Einschübe eben noch als bewiesen galt. Die Gäste im rappelvollen Curio-Haus jubeln entzückt. Es ist Samstag abend, acht Uhr, und Davids rechtes Auge rutscht plötzlich gen Stirn.

Der Cyclop prangt auf dem T-Shirt von Kay Krauel, einem der drei Hara Keuli. Der junge Varietist hebt die Arme und grinst schreiend. Man hatte verstanden. Hara Keuli benötigen zur Irritation weder gesprengte Hochhäuser, noch digitale Elektronik. Den drei Hanseaten reichen ein bißchen Kleinkram und Freddys „Junge, komm bald wieder.“ David, der aalglatte Earl aus USA, hat es nicht drauf. Ebensowenig wie Henning Voscherau. Das Phantom des Rathauses war nicht zum fünfjährige Geburtstagsfestival des Barmbeker Schulzirkus Pampel Muse geladen. Der Bürgermeister, das verkündete der Initiator des Spektakels Uwe Fehrmann gleich zu Beginn, habe sich um die Jugendkultur nicht eben verdient gemacht. Wer es vorziehe, mit einer Partei zu koalieren, die sich durch bildungspolitische Programmlosigkeit auszeichne, der solle dann doch lieber Zuhause bleiben. Man war einverstanden.

84 Pampel Musen des Barmbeker Margaretha-Rothe-Gymnasiums gestalteten zum Champs-Hit tequila den Auftakt der 29-Nummern-Revue. Teller-, Tuch- und Feuerjonglagen wirbelten um eine Leiterpyramide, vor der mehrere Ein- und Hochräder blumige Formationen kurvten. Die Kids agierten im Chaos gekonnt und konzentriert, erhitzt und vertobt – einfach charmant und weit entfernt von den Inhalten, die traditionell im Sportunterricht vermittelt werden. Das Konzept vom Sport als nach Rekorden strebendem Selbstzweck hat nach Ansicht der Zirkusakteure seit langem ausgedient. Schließlich spricht heutzutage auch niemand mehr ernsthaft über l'art pour l'art.

Den fools of Sport geht es um die Synthese von Sport, Musik, Theater und – der programmatische Einstieg läßt es vermuten – gesellschaftlichem Kontext. Kurz: Um den Bruch mit engen sportlichen Konventionen. Das Programm wurde von 70 BewegungskünstlerInnen aus der hanseatischen Straßenkulturszene bestritten. Zum Einsatz kamen nicht nur artistische Utensilien wie Einräder, Diabolos oder Keulen, sondern auch Turngeräte wie Stufenbarren, Seil und das mit ganz eigener Dramatik behaftete Rhönrad. Vom diabolischen Autoverkäufer Frank Tischler über die Kirschkern Company mit Badewannen-Performance und Bürstendialog, bis zum jonglierenden Bankkaufmann Böjrn de Vil wußten alle KünstlerInnen glänzend zu unterhalten. Der furiose Auftritt der breakenden Owners of the impossible war jedoch der einzige zur Jugendsubkultur zählende Gig. Nach drei, vier Stunden begann man beim Rest die nötige Schräge der Inszenierung, die den Bruch mit den Konventionen erst komplett macht, zu vermissen. Die Aktiven bewegten sich fast ausnahmslos in den genreüblichen Klischees. Zur weißgesichtigen Pantomime erklang Dave Brubeck, zur Kampfkunst Meat Loaf und das Akroba- tikduo Kairos lächelte stetig so, wie es sich für richtige Artisten geziemt. Mehr von den im Hansatheater verbotenen Tritten daneben, mehr Punk denn Erlebnispädagogik wollten wir sehen, denn wenn es schräg war, war es am schönsten. Die gonzoeske und mit Hausfrauencharme liebevoll kreierte Conference der Blendenden Schönheiten konnte dem späten Abend die Glätte leider auch nicht mehr nehmen. Auf ein nächstes mal also. Henning und David können ja zwischenzeitlich einen gemeinsamen Magic-Club eröffnen und versuchen, sich gegenseitig wegzuzaubern. Auf das die Jungs niemals wiederkommen! Claudia Thomsen

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