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Tödlicher Kulturkonflikt

■ Türke erschoß Freundin seines Bruders / Vater warf Baby aus Fenster

Innerhalb weniger Stunden sind in Kreuzberg zwei Menschen durch Gewaltverbrechen umgekommen. Die Taten, zwischen denen kein Zusammenhang besteht, geschahen in ein und demselben Gebäudekomplex in der Skalitzer-/ Ecke Admiralstraße: Sonntag nacht gegen 21.30 Uhr feuerte ein 17jähriger Türke in der Gaststätte „Bistru“ mehrere Schüsse auf die 36jährige Deutsche Sabine S. ab. Die Frau erlag im Krankenhaus ihren Verletzungen.

In der gleichen Nacht gegen 1.30 Uhr schleuderte ein 28jähriger Mann seinen zehn Monate alten Sohn aus dem neunten Stockwerk des Eckhauses auf das 30 Meter tiefer liegende Dach des „Bistru“. Als ein Passant das Kind gestern vormittag dort liegen sah, war es schon lange tot.

Der Ende der 70er Jahre erbaute, zum Neuen Kreuzberger Zentrum gehörende Komplex an der Admiralstraße zählt zu den Wohnsilos schlimmster Art: trostlose Betonflächen, auf den Bürgersteigen klebt Hundescheiße, in den Treppenhäusern und Hinterhöfen verkehren häufig Junkies und Dealer. In eines dieser Häuser war die 36jährige Sabine S. vor einem Jahr von der Wohnungsbaugesellschaft GSW umgesetzt worden, weil ihr vorheriges Wohnhaus von Taubenzecken befallen war. Sterben mußte die Frau jedoch wegen eines Kulturkonflikts. Nach Polizeiangaben hatte sie in einer festen Beziehung zu einem türkischen Mann gelebt. Dessen 17jähriger Bruder habe dies jedoch nicht toleriert und darum im „Bistru“ auf die Frau geschossen. Kurz nach der Tat stellte er sich freiwillig der Polizei.

Ein guter Freund von Sabine S. berichtete der taz, daß sie rund 15 Jahre jünger war als ihr türkischer Partner. „Die beiden wollten nächsten Monat heiraten.“ Die Familie des Türken sei jedoch strikt dagegen gewesen: „Sie wollten ihren Sohn in ihrer Heimat mit einer Türkin trauen.“ Ende 1993 sei der Sohn von seiner Familie gegen seinen Willen in der Türkei festgehalten worden. Auf seinen Hilferuf hin sei Sabine S. zu ihm gefahren und habe ihn nach Berlin geholt.

Das Motiv für den Mord an dem zehn Monate alten Jungen ist noch unklar. Die Polizei teilte lediglich mit, daß die 31jährige Kindesmutter nach einem Streit mit dem Vater die Wohnung verlassen hatte. Bei ihrer Rückkehr waren Mann und Kind verschwunden. Der 28jährige Nicolas D. tauchte erst gestern vormittag wieder auf. Beim Eintreffen der Polizei verschanzte er sich im Keller des Hauses und drohte, sich umzubringen. Am Nachmittag wurde er jedoch von einem Sondereinsatzkommando (SEK) überwältigt. plu

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