: Im Land der Täter feilscht man um Geld
Gerangel um die Förderung ostdeutscher Gedenkstätten von „nationaler Bedeutung“ / Bund drückt sich um dauerhafte Finanzierung des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen ■ Von Anja Sprogies
Oranienburg (taz) – Heute so, morgen wieder anders. Im November letzten Jahres sagte die Bonner Regierung zu, zehn Jahre lang die Stiftung brandenburgische Gedenkstätten institutionell zu fördern. Heute versucht das Bundesfinanzministerium, diese Zusage rückgängig zu machen. „Es erreichen uns Signale, daß die dauerhafte Finanzierungsabsprache nicht mehr gelten soll“, meinte der Geschäftsführer der Stiftung, Markus Ohlhauer, gestern gegenüber der taz. Interne Schreiben des Ministeriums würden diese Sparmaßnahmen belegen.
Im vergangenen Jahr hätte die Bundesregierung erklärt, so der Leiter der Stiftung, Jürgen Dittberner, daß Gedenkstätten von nationaler Bedeutung in den neuen Ländern über mindestens zehn Jahre vom Bund gefördert werden. In diesem Jahr sollen Bund und das Land Brandenburg den Haushalt der Stiftung in Höhe von 9,5 Millionen Mark je zur Hälfte übernehmen – so zumindest wurde es vereinbart. Doch diese Gelder sind nicht eingetroffen. Die Gedenkstätten Sachsenhausen, Brandenburg und Ravensbrück arbeiten seit Anfang des Jahres mit einem Nothaushalt, von dem gerade die Gehälter bezahlt werden können.
Dittberner wirft Brandenburgs Finanzminister Kühbacher (SPD) vor, die „Zuwendungen im nachhinein korrigieren zu wollen, um Geld einzusparen“. Kühbachers Sprecher Schmidt wies diesen Vorwurf zurück. Die vereinbarte Summe werde in voller Höhe gezahlt, meinte er. Jedoch müßte die Stiftung zuvor noch einige Haushaltkorrekturen vornehmen.
Ob der Bund auch im nächsten Jahr fünfzig Prozent des Haushaltes übernehmen wird, ist mehr als fraglich. Ohlhauser befürchtet, daß aus der institutionellen Förderung eine Projektförderung werden könnte. „Dann werden nur mehr Ausstellungen oder bestimmte Veranstaltungen unterstützt“, erklärte der Geschäftsführer.
Bereits im vergangenen Jahr ist eine vom Bund beauftragte Gutachterin zu dem Ergebnis gekommen, daß die Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück von nationaler Bedeutung sind. Seitdem wartet Jürgen Dittberner auf den Bundestagsbeschluß, der eine dauerhafte Finanzierung festschreibt. Für Dittberner ist es „völlig klar, daß der Bund die Verantwortung und die Verpflichtung hat, sich an der Arbeit der Gedenkstätte zu beteiligen“. Es sei ein „Skandal, daß im Land der Täter um Geld gefeilscht wird, während in den USA ein ganzes Holocaust-Museum errichtet wird.“
Dittberner glaubt, daß sich der Bund mit dem Argument, „Gedenkstätten sind Ländersache“, vor einer Finanzierung drücken will. Allein die Sanierung der völlig „heruntergekommenen Bauten“ im ehemaligen Konzentrationslager wäre für das Land Brandenburg zu teuer, meinte Dittberner. Insgesamt müssen allein in den Gedenkstätten Sachsenhausen und Ravensbrück rund 40 Millionen Mark investiert werden.
In Sachsenhausen sind besonders das Lagermuseum und das Neue Museum von den Sanierungsplänen betroffen. Die nach dem Anschlag abgebrannten Baracken 38 und 39 sollen wiederaufgebaut werden. In Ravensbrück ist es der Versammlungssaal. Zudem will der Leiter der Stiftung damit beginnen, die Geschichte des Konzentrationslagers systematisch zu erforschen.
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