: Berlin macht dicht
■ Senat will nur noch Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina dulden und die übrigen in Asylverfahren drängen
Ab sofort werden in Berlin nur noch Flüchtlinge aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien, die aus der unmittelbaren Kriegsregion kommen, geduldet. Der Senat beschloß in seiner gestrigen Sitzung, daß künftig die Ausnahmeregelung entfällt. Sie betraf Wehrdienstverweigerer, vergewaltigte Frauen und Flüchtlinge, die in ihren jeweiligen Heimatregionen ethnischen Minderheiten angehören. Diese Personengruppen müssen nun einen Antrag auf Asyl stellen, wenn sie trotzdem in der Stadt bleiben wollen. Diese neue Regelung gilt für neu ankommende Flüchtlinge. Wer sich bereits in der Stadt befindet, wird weiterhin geduldet.
Noch im Herbst letzten Jahres hatte sich das Abgeordnetenhaus für einen Verbleib auch dieser Flüchtlingsgruppen ausgesprochen. Sie sollten im Rahmen einer Einzelfallprüfung ein Bleiberecht erhalten.
Mit diesem Beschluß gleicht der Senat seine Praxis dem Vorgehen der übrigen Bundesländer an. Nach einer Statistik des Bundesinnenministeriums kam im Dezember letzten Jahres die Hälfte der Asylbewerber in Deutschland aus dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. 5.142 Antragsteller kamen aus Serbien und Montenegro und 1.377 aus Bosnien und Herzegowina.
Wie der Senatssprecher Eduard Heußen erklärte, reagierte die Landesregierung mit ihrem jetzigen Beschluß auf die „außergewöhnlich hohe Zahl“ von Flüchtlingen in der Stadt. Diese liegt zur Zeit bei 40.000, die Kosten dafür werden von der Sozialverwaltung auf 600 Millionen Mark für dieses Jahr veranschlagt. In Berlin leben damit zur Zeit 13 Prozent der Bürgerkriegsflüchtlinge.
Auf der in der kommenden Woche stattfindenden Innenministerkonferenz der Länder will Berlin erreichen, daß die Flüchtlinge künftig wie die Asylbewerber auf die Länder entsprechend deren Anteil an der Gesamtbevölkerung verteilt werden. Danach müßte Berlin zwei Prozent der Flüchtlinge aufnehmen. Zudem soll der Bund bewogen werden, 50 Prozent der Kosten zu übernehmen.
Bislang trägt der Bund bei Asylbewerbern 50 Prozent des Unterhalts, nicht jedoch bei Flüchtlingen. Dieses ist der Grund, weshalb ein Großteil der Bundesländer, entgegen den eigentlichen Intentionen des Gesetzgebers, darauf drängen, daß Flüchtlinge einen Asylantrag stellen. dr
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