: Was macht eigentlich die Kulturbehörde?
■ „Aber Sie können doch hier nicht so einfach hereinplatzen!“ - Ein Überfall während der Kernarbeitszeit
Es kommt der Tag, da sucht der Bürger seine Behörde auf und will es wissen. „Sie! Beamter, Beamtin! Was haben Sie gerade zu tun, jetzt, im Augenblick? Und Sie da, Sie auch!“ Da dringt er der Reihe nach in jedes kleine Amtszimmerchen ein, um alle vierzig Amtspersonen unserer Kulturbehörde zu belästigen und Aufschluß zu fordern, Unterrichtung und Rechenschaft!
Gut, wenn er, wie ich, einen Presseausweis dabei hat. Sonst hätte mir Herr Zahn von der Finanzabt. schon mal gar nicht gesagt, daß er gerade die Verwendungsnachweise all der Schlucker prüft, die im letzten Jahr eine Förderung abgekriegt haben. Daß er Zahn heißt, will er immer noch nicht preisgeben; gut, daß ihn wenigstens sein Türschild verrät.
Auch Frau Wieters, die das Vorzimmer der Senatorin beherrscht, nimmt eine gewisse Trotzhaltung an: „Wir tun gar nichts!“ ruft sie, als sie an mir vorbei zum Mittagessen entstapft. Andere sind da williger, Frau Wieters, Herr Zahn! Herr Schlummbaum betreibt augenblicklich den Austausch von sieben bremischen mit drei irischen Kulturmanagern, Herr Schlosser vom Musikreferat sagt gleich, daß er am Schreiben eines Bescheides für den bremischen Zitherverein ist, welchem man nämlich tausend Mark für neue Saiten bewilligt hat.
Und am Schreibtisch nebenan der fliegende Beamte Goebbel, zuständig für EG-Gelder und andere Unfaßlichkeiten, ist natürlich wieder unterwegs, diesmal in so unfaßlicher Mission, daß es nicht einmal sein Amtsstubenkamerad weiß.
Dafür feilt Frau Redies von der Haushaltsabt. redlich an einer Deputationsvorlage für einen noch geheimen Sonderwunsch des Übersee-Museums, Herr Opitz stellt, ebenfalls für die Deputation, eine Liste aller Zuwendungen auf, die an der Deputation vorbei im Nachhinein bewilligt worden sind, Frau Scheinhardt, gewesene Pressesprecherin, arbeitet an einem Konzept für das baldige „Antirassismustelefon“ der Senatorin, einer Art behördlicher Hotline für Hasser und Gehaßte, und der Verwaltungsleiter Schröder hockt unverbrüchlich an seinem PC, bis er auch im kommenden Schuljahr weiterhin mit 50 abgeordneten Lehrern rechnen kann.
Frau Bruns im Nebenzimmer quält sich derweil ein bißchen, denn wenn's grad mal voranginge mit den Personalaktenbergen, kommt da wieder ein Mitarbeiter und will für die nächste Wehrübung unabkömmlich geschrieben werden, und Zeugnisse sind auszustellen, und überhaupt: Ein Jammer, so auf Halbtagsstelle, das kann Frau Bruns wohl sagen.
Da kommt die Behördenspitze persönlich hereingeschneit, und der Staatsrat Schwandner weiß sofort, daß meine Nachforschung „im umgekehrten Sinn das ist, was Warhol damals vor dem Empire State Building gemacht hat“. Im übrigen habe er soeben einen Brief paraphiert, in dem Frau Schell vom Institut Français erfahren wird, daß ihre geplante Ausstellung „zu teuer“ und somit abgelehnt ist; und „in 16 Minuten“ folgt ein Termin mit Dacapo „wegen Geld“. Mehr Geld oder weniger? „Bei uns natürlich weniger!“
Die Senatorin Trüpel hingegen muß erst einmal entscheiden, ob sie mir diesen Überfall nachträglich hoheitlich gestattet; es kostet sie lange und harte Gedanken, und erst die Versicherung, es sei auch gewiß „kein Kommentar“ geplant, nur quasi ein Sittengemälde ihrer Behörde an einem Tag X, kann sie gnädig stimmen. Sie selber stehe, sagt sie sodann, kurz vor einem Gespräch mit ihrer Museumsreferentin, betreffend das Übersee-Museum, wo evtl. ein gewisses Gerangel wegen der Raumnutzung durch entwicklungspolitische Arbeitsgruppen im Anzug sei.
O Jegerl, denkt an sich, nur weiter, nur fort. Erst eine Etage im Hauptsitz Herdentorsteinweg geschafft, und schon soviel Alltag. In der nächsten Etage aber geschieht wahrhaftig sogleich das Malheur, das bislang alle so tapfer vermieden haben: Herr Bottari, der oberste Sachbearbeiter der Kulturabteilung, wirft sich mir in den Weg: „Sie können doch nicht so einfach klingeln und reinplatzen! Das geht doch nicht!“ Aber warum denn nicht? „Das ist Bildzeitungsstil!“ ruft Herr Bottari und führt sogleich ein vehementes Telefonat mit der Behördensprecherin Frau Loer (die, wie sich zeigt, gerade an einem Beitrag für den Städtekulturvergleich der Zeitschrift Marie Claire sitzt): Frau Loer solle bitte, da er, Bottari, weg müsse, sofort alle Mitarbeiter der Kulturabteilung in der Pieperstraße telefonisch verständigen!
„Sie können da nicht einfach rein!“ sagt immer wieder Herr Bottari, und auch die Versicherung, die Senatorin habe doch eingewilligt, besänftigt ihn nicht, denn ich kann keinerlei Geleitschreiben vorweisen, und Helga Trüpel ist längst auf Termin. Also weist Herr Bottari mich an, „oben bei Frau Loer“ sittsam zu warten, bis alles abtelefoniert ist.
Ich also raus und mit Krawumm in die Pieperstraße, aber zu spät. Alle wissen Bescheid und lachen schon. Immerhin: Die Antworten kommen jetzt viel flüssiger. Herr Filzen-Salinas „überlegt“ gerade, ob er zusammen mit dem DGB „ein lateinamerikanisches Wandbild“ oder gar ein Relief, wer weiß, organisieren solle, evtl. an einer Weserkaimauer, Gott steh uns bei.
Frau Drees, Museumsreferentin, sitzt dagegen friedsam an dem Pressetext für die Eröffnung der Modersohn-Ausstellung in der Böttcherstraße; Frau Blome vom Kunstreferat formuliert für die Museumsreferentin eine eindeutige Absage, betreffend die Unterausschußsitzung der Kultusministerkonferenz in Erfurt. Herr Hock, Kunstreferat, schreibt das Protokoll eines Gespräches mit den Blaumeiers, klar, „über Geld“ nieder, und Frau Koineke vom Referat für Literatur und Medien bastelt, obwohl gerade die Literaturwoche vonstatten geht und immerzu Dichterpersönlichkeiten abgeholt und betutzelt werden wollen, schon wieder an der bremischen Stellungnahme zum Entwurf einer Charta der regionalen Minderheitensprachen.
Erst bei Frau Dörnert, Vorzimmer Kunstreferent Manske, gibt es nach all der Arbeitsamkeit endlich Kaffee. „Der dampft hier immer!“ sagt Frau Dörnert. Wenn sie nicht gerade „von Besuchen oder Telefonaten gestört“ wird, versucht sie, ein Arbeitszeugnis ins Reine zu schreiben und überhaupt damit klarzukommen, daß ihr Chef schon in der Städtischen Galerie, Buntentorsteinweg, haust und sie immer noch hier. Ein Anruf in der Galerie ergibt, daß dort nur Frau Werner weilt, während Manske wieder durch die Weiten des öffentlichen Raums stürmt. Frau Werner ihrerseits hat heute wohl die aufregendste Aufgabe von allen: Sie darf mit der Spedition Kühne & Nagel einen Frachtbrief für die Exponate der Arleen Schloss „faxmäßig klarmachen“, und zwar „nach New York! Das hat man hier wirklich nicht alle Tage!“ Manfred Dworschak
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