Geldhahn zugedreht und basta

■ Obwohl gesetzlich vorgeschrieben: Kein Geld mehr für ambulante Erziehungshilfen bei schweren familiären Problemen Von Sannah Koch

Ende der Hilfe – von heute auf morgen. Die Hamburger Finanzbehörde sagt „njet“: kein Geld mehr für ambulante Erziehungshilfen. Und das, obwohl diese eigentlich gesetzlich vorgeschrieben sind. Plötzlich den Boden unter den Füßen verloren – dieses Gefühl löst die Anordnung bei Rose E. aus. Seit einigen Jahren betreut sie den siebenjährigen Enkel, Sohn ihrer drogenabhängigen Tochter. Mit der Unterstützung von Sozialarbeitern hat sie es jetzt geschafft, die psychischen Probleme des Kindes etwas zu lindern. Ab sofort soll sie ihre Schwierigkeiten wieder alleine in den Griff bekommmen.

Leistungen, die nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) finanziert werden müssen. Ausverkauf wg. sparen? Erste Belege dafür präsentierte gestern die Jugendeinrichtung IGLU – ein Projekt, einzigartig in der Bundesrepublik, das Kinder von Drogenabhängigen betreut und den Eltern Rat und Unterstützung bei der Erziehung bietet. 25 Familien mit 40 Kindern werden hier von fünf MitarbeiterInnen betreut. Ihre Hilfe wird unter anderem durch das KJHG bezuschußt: Nach diesem Gesetz muß seit knapp vier Jahren bei schweren familiären Problemen oder drohendem Sorgerechtsentzug Unterstützung für Erziehungsberatung gewährt werden.

Dennoch erhielten in der vergangenen Woche allein vier der drogenabhängigen Elternpaare ohne Vorwarnung eine Hiobsbotschaft von ihren Bezirksämtern: Die Betreuung, ihnen bis zum August vertraglich zugesichert, könne nun doch nicht weitergeführt werden. Mehrfache Versuche, eine Anschlußfinanzierung sicherzustellen, seien gescheitert, weil die Finanzbehörde keine weiteren Mittel zur Verfügung stelle, war aus dem Bezirksamt Altona zu erfahren.

Eine lapidare Mitteilung, ein Schock für die Betroffenen: Panik davor, ohne die Unterstützung wieder „richtig abzustürzen“, hat John. Er und seine Frau sind seit über 15 Jahren süchtig – darunter leiden auch die beiden Kinder, wie John einräumt. Gebessert hat sich der Zustand, seit die IGLU-Mitarbeiter, finanziert durch das Bezirksamt, jede Woche beraten und mit den Kindern ein Freizeitprogramm gestalten. Jetzt hat John ein neues Problem: Wie soll er seiner Tochter verständlich machen, daß Hans nicht mehr mit ihr schwimmen gehen oder spielen wird?

„Wahrscheinlich könnten die Betroffenen die Hilfe vor Gericht einklagen“, räumt die Leiterin des Amt für Jugend, Gitta Trauernicht, auf Nachfrage ein. In Hamburg sei auf diesem Sektor bereits viel getan worden, 68 Stellen geschaffen und 6 Millionen Mark jährlich bereitgestellt worden. Aber: „Das reicht bei weitem noch nicht aus.“

Weil die Bezirksämter mit einer Steigerung des Etats gerechnet hatten, diese aber für 1994 nicht vorgesehen ist, sei es zu dieser „tatsächlich problematischen Situation“ gekommen, so der Sprecher der Schulbehörde. Die Bürgerschaft sei für die Bewilligung zusätzlicher Mittel zuständig. Ein Batzen Geld, über den aber der Finanzsenator wacht: Alleine in Altona wurde 24 Familien die Hilfe gestrichen. Etwa 40.000 Mark kostet die ambulante Betreuung jährlich – eine Heimunterbringung 70.000 Mark.