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: Grüne Soße Urwald

„Video Privat: Pauschal nach Rio und Mallorca“, Mittwoch, 21.45 Uhr, ARD

„Sieben, acht, neun..“ Wolfgang rechnet die Anzahl seiner Slips in Urlaubstage um. Und seine „Bekannte“ Uschi hält den Abreise-Check minutiös mit der Videokamera fest. Ihre Urlaubs- Dokumentation ist nicht für den engsten Freundeskreis bestimmt, sondern für die Fersehnation, und zwar zur besten Sendezeit.

Denn Videoabende als Beleg für abgehakte Reisestationen sind ein hübsches Ritual, dachte sich die ARD und verpflichtete zwei Pärchen für einen folgenlosen Videokurs und für zweiwöchige Pauschalreisen nach Mallorca und Rio. Unzensierte Urlaubsfreuden versprach der Titel der Reportage von Michaela Scherenberg und Hans-Dieter Schaier, die seit Tagen reißerisch im Ersten angetrailert worden war.

Intim sollte es vor dem Autofocus zugehen. Da entledigt sich „Uschi-Muschi“ im Flieger zwischen Lachsstreifen und Sektkelch ihrer zu engen Korsage, bevor sie ihre neue Nackenrolle aufbläst. Und bei der Besichtigung brasilianischer Sümpfe, die Wolfgang an die „grüne Frankfurter Soße“ erinnern, erahnt man am Sitz seiner Radlerhose, daß die Schlüpfer wohl doch nicht gereicht haben.

Diese Pikanterien machen noch keinen Exhibitionismus. Auch Klaudias gerissene Schwenks auf Freund Peter geben nicht den verheißenen Blick durchs Schlüsselloch frei. Immerhin begegnet man Peters Mutter, die ihm rabiat das Reisesäckl schnürt und dabei orakelt, daß der Vater ihm „was scheißt“, wenn Sohnemann dessen Rasiercreme mitgehen läßt. Damit ist auch schon der Gipfel an Zügellosigkeit erreicht.

Wenn die Tristesse des immergleichen Swimmingpools an der Freizeitlaune nagt, die „Rucki-Zucki“-Klänge der Karnevalsmusik bald Amokgelüste aufkeimen lassen, steckt im groben Korn der Aufnahmen eine Authentizität, die mit der in Auftrag gegebenen nichts gemein hat. Rasch beschwört dann eine geschulte Stimme aus dem Off das Glücksgefühl der Pauschalreisenden.

Einmontierte Prospekt-Panoramen gebieten Klaudias Moserei über die 349 Stufen zur hoteleigenen Bucht Einhalt. Nützt dies alles nichts, will der Eid auf die Ferienclubfahne nicht über die Lippen kommen, gehen die öffentlich-rechtlichen Regisseure in die Offensive.

Professionelle Interviews mit den bereits Heimgekehrten setzen auf die Haltung der Verbraucher, über teure Reisen niemals Katastrophenberichte abzuliefern. Der Charme der öden Schnappschüsse gegen professionelle Einfältigkeit. Sie behält das letzte Wort bei der Schlußfahrt über den Wäscheberg: „Mit dieser Bluse saß Uschi an der Hotelbar, dieser Kugelschreiber aus dem Café...“ Birgit Glombitza