: Die biolügische Teppichqualität
■ Das Bremer Umweltinstitut findet Insektengift Permethrin in Wollteppichen
Da haben wir den Salat. Nur heißt er heute Teppich. Denn wie der grüne Kopf ist er zwar frei von Ungeziefer, dafür aber pestizidhaltig. Am härtesten trifft es die Wollteppiche der Wollsiegelqualität. In ihnen wurden jüngst bedenkliche Mengen an Insektengiften nachgewiesen. Das jedenfalls ergab eine kleine Studie, die das Bremer Umweltinstitut (BUI) für die Zeitschrift „Vital“ durchführte.
Die Untersuchung von neunWollteppichen erbrachte, daß alle neune mit dem Insektizid Permethrin belastet waren – und zwar teilweise weit über dem vom Bundesgesundheitsamt für vertretbar gehaltenen einen Milligramm Gift pro Kilo Wollfaser. Zwischen 6 und 150 Milligramm lagen die gefundenen Rückstandsmengen.
„Mit solch einer Trefferquote hatten wir nicht gerechnet“, sagt Peter Stolz, ein Chemiker des Umweltinstituts. Seit Jahren ist ihm die Problematik des Giftstoffes bekannt, der als Ersatzstoff für das dioxinhaltige Lindan auf den Markt kam. Und den er für „vergleichbar giftig“ hält.
Zwar wurden Pyrethroide, zu deren Familie das Permethrin gehört, von Handel und Industrie bisweilen als „natürlich“ bezeichnet. Aber das sei „biolügisch“, so der Chemiker Stolz. Wenn Pyrethroide auch aus der Chrysanthemenblüte gewonnen werden – „mit dem synthetischen Gift, das wir in Teppichen finden, hat das nichts zu tun.“
In die Wolle gelangt das Gift , wenn deren Fasern gegen Insektenfraß „ausgerüstet“ werden. Das passiert zwangsläufig, wenn hochwertige Ware mit dem Gütezeichen des Wollsiegels „Reine Schurwolle“ versehen werden. Dafür nämlich ist eine vorbeugende Behandlung gegen Insektenbefall Bedingung.
„Vorsicht“, warnt denn auch der Chemiker Stolz. Von einem ungiftigen Wollbelag könne man nur dann ausgehen, wenn der Hersteller sich entsprechend dafür verbürge.
Und noch mehr förderte die Untersuchung zutage: Auch bei nicht besiegelter Wolle traten Rückstände auf. „Möglicherweise stammen sie von einer Insektenvernichtungsakt-ion im Wollager“, so Stolz. Pyrethroide werden von Kammerjägern eingesetzt.“
Die Insektizide aber töten nicht nur die kleinen Krabbler, sie greifen auch das menschliche Nervensystem an. Augen- und Schleimhautreizungen, Wortfindungsstörun gen oder ein Kribbeln in den Gliedern, gehören zu den Symptomen einer Vergiftung. Und Permethrin ist ein Nervengift.
Unter Wissenschaftlern umstritten ist bislang das Ausmaß, in dem Menschen durch das Gift geschädigt werden. Von 400 Fällen spricht man in der Bundesrepublik. Aber: „Die Krankheitsbilder, die das Gift hervorruft, werden selten auf einen konkreten Auslöser zurückgeführt“, erklärt der Chemiker. „Wer denkt schon an seinen Teppich als Krankheitsursache.“ Daß die Lindan-Ersatzstoffe giftig sind, hätte man schon lange wissen können, meint Peter Stolze nüchtern. „In der Regel wird ein Giftstoff ja nur durch einen anderen ersetzt.“
Ersetzen – so könnte auch das Stichwort für den Umgang mit rückstandsbelasteten Teppichen lauten. „Für Kinder, die am Boden spielen ,oder für empfindliche Personen, ist das Risiko ernst zu nehmen“, warnt das Bremer Institut. Denn im Staub reichert sich das Gift besonders an. Auch Staubsaugen bietet da wenig Entkommen: „Da wird alles als Feinstaub im Raum verteilt“. Pustekuchen also.
Trotzdem: Staubsaugen könnte Gewißheit bringen: Proben aus dem Staubsagerbeutel weisen die Schadstoffbelastung im heimischen Bodendecker aus. Für 250 Mark können sie die im BUI getestet werden
Im März erscheint eine Broschüre zum Thema. Kosten ca. 9 Mark. Das Institut nimmt Bestellungen entgegen: BUI, Wielandstraße 25, 28203 Bremen Eva Rhode
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