Kirche schaut über den Tellerrand

■ Ökumenische Suppenküche hilft den Ärmsten der Armen

„Seit meiner Kindheit hasse ich die Kirche vor allem wegen der Beichte“ sagt ein 70jähriger Rentner. Mit seinen 500 Mark Rente im Monat ist er heute aber gezwungen die leiblichen Dienste der Kirche in Anspruch zu nehmen. In Wintermonaten kommen täglich rund 120 Frauen und Männer in die Suppenküche des Propsteiheims St. Clemens in der Goethestraße.

Die Kosten für das Projekt, rund 40.000 Mark, werden ausschließlich aus Spenden finanziert – rund 35.000 Mark sind bereits auf dem Spendenkonto eingegangen, erklärte Diakoniepastor Walter Lampe. Angefangen hat das Projekt, das vom Diakonischen Werk und den drei Kirchengemeinden der Calenberger Ökumene getragen wird, vor rund sieben Jahren mit 14 BesucherInnen. Für den Koordinator des Diakonischen Werkes Wilfried Pellmann ist die BesucherInnenzahl ein deutliches Zeichen für wachsende Armut und den Verdrängungswetbewerb in der Gesellschaft.

Bei der Essensausgabe gibt es keine Konkurrenz. Auch Nachweise für die Bedürftigkeit werden von niemandem verlangt. Die Atmosphäre unter den BesucherInnen sei daher selten aggressiv: Einige kommen nur, um ihr Putenfrikasse mit Curryreis zu essen. Andere freuen sich auch, Freunde zu treffen und mit ihnen zu klönen. Diejenigen, die die ganze Nacht laufen mußten, um nicht zu erfrieren, machen nach der warmen Mahlzeit ein „Nickerchen“ in dem beheizten Raum.

Daß die 'täglich Suppe' allein nicht ausreicht, den Menschen nur durch ein umfassendes Programm bezahlbare Wohnungen, höhere Renten und Arbeitsplätze- geholfen werden kann, weiß Pellmann längst. Das aber hält ein anderer Mann für illusionär. Für Menschen wie ihn gebe es in dieser Gesellschaft keine Arbeit. Die Gesellschaft müsse sich darauf einstellen, daß es immer mehr Arme in Deutschland geben werde. „Es ist nicht das persönliche Versagen, sondern das Versagen eines gesamten Gesellschaftssystems“, sagt der 50jährige lautstark. Die Mehrheit der BesucherInnen, ergänzt Pellmann, habe eine ganz normale „bürgerliche Karriere“ hinter sich: arbeitslos, geschieden, wohnungslos, perspektivlos – der „Teufelsgeneral-Kreis“. Nada Nangia