■ Alptraum Bild: So also sieht das aus
Es war tatsächlich ein „Bild wie ein Alptraum“, das die B.Z. kürzlich vierfarbig auf ihrer Seite 1 präsentierte: Da ragt ein Kopf unter einer Plane hervor. Er liegt schräg auf der Seite im Gras. Zu gern möchte man glauben, da schliefe einfach jemand seinen Rausch aus. Denn eigentlich kann man die Message der Headline auf dem Foto gar nicht wiedererkennen: „Millionärstochter geköpft.“ Bild hatte an diesem Tag das Nachsehen im Wettkampf um das vorteilhafteste Vierfarbbild der geköpften Millionärstochter. Hier ist vor allem die Bildqualität ein Alptraum. Ein undefinierbarer Farbtupfer mußte eigens mit einem roten Kreis versehen werden, um visuell zu belegen, was erst die Bildunterschrift erklärt: „Kripo-Beamte und Gerichtsmediziner bergen den abgeschlagenen Kopf ...“ Ein zehn Monate alter Junge wurde von seinem Vater aus dem 9. Stock eines Hochhauses geworfen. Bild gönnt seinen Lesern die blutige Kinderleiche gleich zwei Ausgaben hintereinander. Auch auf diesem Foto ist kaum etwas eindeutig zu erkennen. Die Phantasie, vor allem die der Bild-Redakteure, muß auch hier ergänzen. Und doch sind es gerade diese Fotos, die den Geschichten von Totschlag, Vergewaltigung oder Kindsmord die vermeintliche Authentizität verleihen. So also, denkt man sofort, so also sieht das aus, wenn ein zehn Monate alter Junge aus einem 9. Stock auf das Vordach eines Hauses fällt. Wo wohl seine Arme sind? Wie das Gesicht wohl aussieht? Warum er wohl fallen mußte? Aber gerade zu diesen einfachen Fragen kommt man angesichts der fremden, verschwommenen Bilder und der eigenen, grauenvoll scharfen Vorstellungskraft dann eben nicht mehr. Und die Antwort – sie wäre für eine Bild-Headline wohl auch zu lang. Klaudia Brunst
Siehe Interview auf Seite 48
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