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■ ÖkolumneQuangos für den Umweltschutz Von Ralf Sotscheck

In einem Land, in dem von Bahn bis Wasser alles privatisiert wird, kann auch der Umweltschutz nicht auf allzu große staatliche Unterstützung rechnen. Um ihre Verpflichtungen vom Umweltgipfel 1992 in Rio zu erfüllen, setzt die britische Regierung denn auch weniger auf staatliche Regulierung als vielmehr auf „das Individuum und die Marktkräfte“.

Premierminister John Major hat jetzt vier Papiere vorgestellt, in denen es um Klimaveränderungen, Artenschutz, die Rettung der Wälder sowie um Wirtschaftsentwicklung und langfristigen Umweltschutz geht. Viele der Probleme werden durchaus richtig benannt. Doch wo konkrete Maßnahmen gefordert sind, flüchtet man sich lieber in den Konjunktiv. So heißt es in einem der Papiere, daß Bäume dem Treibhauseffekt entgegenwirken. Gleichzeitig soll jedoch die staatliche Forstkommission privatisiert werden – und mit ihr das Aufforstungsprogramm. Damit wird der Bock zum Gärtner befördert, denn die Hoffnung, daß die Privatindustrie zugunsten der Wälder auf schnelle Profite verzichtet, ist lächerlich.

In Rio hat sich die Londoner Regierung verpflichtet, bis zum Jahr 2000 die Emission von „Treibhausgasen“ auf das Niveau von 1990 zurückzuschrauben – es geht dabei um zehn Millionen Tonnen Kohlenstoff. Um das zu erreichen, haben die Torys in altbewährter Manier zunächst eine neue Dienststelle geschaffen: Das Amt für Energiesparen, das bessere Isolierungen und energiesparende Glühbirnen fördern soll. Es ist jedoch nichts als blanker Zynismus, wenn Major die umstrittene Mehrwertsteuer auf Brennmaterial nun ebenfalls als umweltschützende Maßnahme verkaufen will. Denn in Wirklichkeit geht es mal wieder nur darum, das Loch im Staatssäckel zu stopfen. Und ebensowenig wird die jährliche Anhebung der Benzinpreise um fünf Prozent eine nennenswerte Zahl von Autos in den Garagen festsetzen.

Immerhin räumt Major ein, daß man im nächsten Jahrhundert wohl über ein neues Programm zur Reduzierung der Emissionen nachdenken müsse, da sich der Verkehr innerhalb von 25 Jahren verdoppeln wird. Zunächst aber agiert Premier Major nach dem Motto: Nach mir die Sintflut. Die Regierung will nämlich erst einmal kräftig zum Verkehrsinfarkt beitragen: 23 Milliarden Pfund werden in den Straßenbau gesteckt. Auch in anderen Bereichen beinhaltet die Regierungspolitik nicht etwa irgendwelche Maßnahmen, auf die man sich in Rio verpflichtet hatte, sondern beschränkt sich meist auf schöne Formulierungen.

Nicht nur UmweltschützerInnen glauben dem Premierminister kein Wort. Wie sollten sie auch? Die Torys haben in den vergangenen 15 Jahren gewählte Institutionen entweder abgeschafft, wie den Rat von Groß- London, oder aber entmachtet. Statt dessen hat man ein Netz von „unabhängigen Agenturen“ und

Foto: Isabel Lott

untergeordneten privaten Stellen – sogenannten „Quangos“ – geschaffen, das der Korruption Tür und Tor öffnet. Die ehemals 30 Regierungsbehörden bestehen jetzt aus 30 ministeriellen Hauptstellen, 150 privaten Agenturen und Hunderten von Quangos, die wiederum die Arbeit an Tausende von Privatunternehmen delegieren. Allein dem Ministerium für kulturelles Erbe unterstehen 48 Quangos. Und alle wollen – ganz privatwirtschaftlich – einen Gewinn erzielen.

Selbst der Finanzausschuß des Unterhauses hat vor kurzem darauf hingewiesen, daß „inadäquate interne Buchführung zur Verschwendung führt und Betrug sowie Diebstahl fördert“. Der Ausschuß monierte, daß bei Entlassungen oftmals hohe Abfindungen gezahlt würden, wenn eigentlich ein Disziplinarverfahren fällig gewesen wäre; daß unberechtigt empfangene Geldleistungen nicht zurückgefordert wurden; und daß bestimmte Informationen geheimgehalten wurden. Hunderte Millionen Pfund sind in einem schwarzen Loch verschwunden.

Dabei handelt es sich um keine Einzelfälle, sondern um ein Strukturproblem: Der Staatsdienst ist nicht nur in seiner Integrität bedroht, sondern in seiner Existenz. Und wo Korruption und Günstlingswirtschaft herrschen, muß man für den Umweltschutz allerdings schwarzsehen.

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