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Kirche contra Abschiebe-Apparat

■ Trotz Sparhaushalt: Synode bewilligt Geld für Flüchtlings-Beratung Von Kaija Kutter

Der Wandsbeker Pastor Theo Christiansen ist nicht so einverstanden mit dem Beschluß. 145.000 Mark bewilligte die Synode der Nordelbischen Kirche als „Anschubfinanzierung“ für eine „Hilfsstelle für Flüchtlinge“ in Altona. Das ist nur ein Viertel der Summe, die der Initiativkreis aus Pastoren und Flüchtlingsrat errechnet hatte. „Der Beschluß ist bezeichnend für den Umgang der Synode mit ihren eigenen Appellen“, sagte Christiansen gegenüber der taz. Daß sie nicht bereit sei, „irgend etwas auch so umzusetzen, daß man was davon hat.“

Denn das Parlament der Nordelbischen Kirche – das sich von Mittwoch bis Sonntag vor allem mit sich selbst und mit den eigenen Finanzen beschäftigt hatte – hatte mehrfach und entschieden das neue Asylgesetz verurteilt, weil das Recht auf Asyl damit quasi abgeschafft wird. Damit die Menschen die „wenigen Chancen, die das Gesetz noch läßt, dennoch nutzen können“, so hatte es der Hamburger Pastor Justus Freitag jüngst formuliert, müsse dringend eine Beratungsstelle her. Einen Pastor für die Seelsorge, zwei Sozialpädagogen, einen Dokumentaristen, eine Verwaltungsstelle und ein großzügiger Honorartopf für Dolmetscher und Anwälte wurden für eine Anlaufstelle in Altonaer Bahnhofsnähe veranschlagt, alles in allem ein Betrag von 580.000 Mark. Doch in einer Situation, wo die Kirche aus Spargründen einen Stellenstop verhängt, eine große Summe.

„Als Pastor, der hier vor Ort ist, bin ich schon dankbar, daß irgendetwas passiert“, sagt denn auch der Altonaer Pastor Frank Howaldt, der angesichts der vielen Einzelschicksale, die er auf den Neumühlener Flüchtlingsschiffen vorfindet, von einem „Beratungs-Notstand“ spricht. Howaldt schwebt ein „Beratungsbus“ vor, um zu den Schiffen zu fahren. Für die ursprüngliche Konzeption reiche es natürlich nicht. Nun heißt es klinkenputzen, anfragen bei Nachbarkirchenkreisen, ob sie den Altonaern etwas Geld dazugeben. Das Diakonische Werk soll außerdem bei der Stadt fragen, ob sie sich beteiligt. Howaldt: „Das müßte dann aber ohne inhaltliche Einflußnahme sein“.

Allerdings hatte der Senat in der Anwort auf eine Kleine Anfrage bereits im Oktober erklärt, für die Beratung der Flüchtlinge in der Erstaufnahme Neumühlen sei gesorgt. „Die werden allein gelassen“, sagt hingegen Howaldt. Die Öffentliche Rechtsberatung und auch die Beratungsstellen des Roten Kreuzes und der Arbeiterwohlfahrt seien dem Ansturm nicht gewachsen oder auf andere Fragen spezialisiert. Wie die Juristin Cornelia Ganten-Lange beobachtet hat, sind immer weniger Anwälte bereit, den „Streß“ eines Asylverfahrens auf sich zu nehmen.

Doch anwaltlicher Rat ist gerade in den ersten Tagen immens wichtig. Binnen zehn Tagen nach Ankunft werden Asylbewerber schon zu dem entscheidenden Gespräch in der Amsinckstraße geladen. Argumente, die bei diesem „Interview“ nicht vorgetragen werden, finden später keine Berücksichtigung. So hat nach Vermutung der Kirchenaktiven die Nicht-Beratung System: Laut Ausländergesetz haben Asylbewerber nicht mal Anspruch auf rechtliche Beratung.

Der jetzige Beschluß der Synode, auch wenn die Summe bescheiden ist, ist so als aktives Mißtrauen der Kirche gegenüber dem staatlichen Abschiebeapparat zu verstehen.

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