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High-noon-Woche

■ Personalstreit bei RTL und Sat.1, Lizenzprüfung bei Pro 7

Schon lange hielten sich Gerüchte, die Amtszeit von RTL- Chefredakteur Dieter Lesche neige sich dem Ende zu. In der vergangenen Woche überraschte der 48jährige die Öffentlichkeit mit markigen Worten. Er richtete verbal über die RTL-Kollegen und ließ dabei keinen aus, selbst Geschäftsführer Helmut Thoma nicht. Die Tage Lesches, am 1. Oktober 1988 von Radio Bremen zu RTL gestoßen, schienen gezählt.

Lesche zog in einem Interview über Thomas Gottschalks Redaktionsleiter Hans-Hermann Tiedje her („Den muß man zum Teufel jagen“). Er kritisierte Thoma-Berater Peter Bartels (Ex-Bild, Ex-Super) als jemanden, der „für übelsten Krawalljournalismus steht“, und bezeichnete es als „unterirdisch“, wie Information und Unterhaltung 1993 bei RTL um Sendeplätze hätten kämpfen müssen. Heute hat der Kritiker um 15 Uhr einen – vielleicht seinen letzten – Termin mit Thoma.

Schärfster Widersacher des Chefredakteurs ist der ehrgeizige Programmdirektor Mark Conrad (33), ein persönlicher Protegé von Helmut Thoma, auch schon als dessen „Erbe“ gehandelt. Als Nachfolger bietet sich für Lesche der ehemalige Quick-Chefredakteur Richard Mahkorn, jetzt RTL- Kommunikationsdirektor, an oder Heiner Bremer, dessen „Nacht- Journal“ einen guten Einstand hatte.

Auch beim Rivalen Sat.1 rumort es. Im Kreuzfeuer der Kritik steht Knut Föckler, der für den Bereich Unterhaltung zuständige Programmdirektor im Dreigestirn der Führungsriege, in der einer gegen den anderen um Programmplätze kämpft. „Ihm weht ein mächtiger Wind ins Gesicht“, weiß ein Insider zu berichten und gibt als Quelle den Aufsichtsrat an.

Eingeweihte halten Föcklers Abschied von Sat.1 für programmiert und rechnen mit dem jetzigen Sportchef Reinhold Beckmann als Nachfolger, dem mehr Geschicklichkeit im Umgang mit Kollegen nachgesagt wird. Föckler, der Anfang 1993 als Marketingdirektor in der Kirch-Gruppe zu Sat.1 stieß, galt mit seinen Ideen als glücklos.

Was bei RTL und Sat.1 als „natürliche Häutung“ betrachtet werden mag, ist bei Vox in Köln längst Routine. Kein Führungsposten ist seit Programmbeginn im Januar 1993 nicht neu besetzt worden. Beobachter meinen, daß der jetzige Geschäftsführer Bernd Schiphorst nur noch wenige Monate als „Feuerwehrmann“ im Amt bleiben werde, bevor er seinen Job an den jetzigen Vox-Berater Werner E. Klatten abgebe, der dann angeblich den finanziell stark belasteten Sender nur noch abwickeln soll. Klatten bringt schon eine wichtige Erfahrung für den Vox-Chefsessel mit: Als Sat.1-Geschäftsführer mußte er auch vorzeitig seinen Hut nehmen – und das ist erst gerade ein Dreivierteljahr her.

Ebenfalls in dieser Woche steht der Münchner Privatsender Pro 7, der gerade fünfjähriges Bestehen feierte, auf dem Prüfstand. Am Dienstag und Mittwoch wollen die Direktoren aller 15 Landesmedienanstalten in Bremen darüber befinden, ob die Eigentümer von Pro 7 mit der Kirch-Gruppe so verflochten sind, daß ihnen die Sendelizenz wegen Verstoßes gegen die Konzentrationsregeln entzogen werden müßte. Aber auch wenn die Mehrheit der Direktoren dieser Meinung wäre, müßte Pro 7 nicht ernsthaft um seine Existenz fürchten. Für die Lizenzerteilung ist nämlich nur eine Landesmedienanstalt zuständig. Im Fall Pro 7 ist es die Unabhängige Landesanstalt für das Rundfunkwesen Schleswig-Holstein (ULR) in Kiel. Deren Direktor Gernot Schumann hält die Belege für einen „Verbotstatbestand“ für nicht ausreichend.

Einer der Gesellschafter von Pro 7 ist mit 47,5 Prozent Thomas Kirch, der Sohn des Konzernchefs der Kirch-Gruppe, Leo Kirch. Beteiligt sind außerdem mit 49,5 Prozent Gerhard Ackermans und mit drei Prozent der Pro-7-Geschäftsführer Georg Kofler. Für eine unerlaubte Verflechtung mit der Kirch-Gruppe sprechen angeblich erst kürzlich aufgetauchte Verträge, wonach der Aufbau des Münchner Senders maßgeblich über Lieferantenkredite der Kirch-Gruppe finanziert worden sein soll.

Pro-7-Sprecherin Angelika Cyllok bestreitet, daß es solche Verträge gibt. Verträge mit der Kirch- Gruppe bezögen sich vielmehr auf Lizenzrechte an Film- und Fernsehproduktionen. Nach Paragraph 21 des Rundfunkstaatsvertrags darf ein Veranstalter bundesweit nur ein Vollprogramm und ein Spartenprogramm verbreiten. Die Kirch-Gruppe ist maßgeblich mit 43 Prozent am Vollprogramm Sat.1 beteiligt und hält jeweils ein Viertel der Gesellschafteranteile von premiere und dem Deutschen Sportfernsehen (DSF). Würden die Medienkontrolleure für das Vollprogramm Pro 7 einen maßgeblichen Einfluß der Kirch- Gruppe und damit einen Verstoß gegen die Konzentrationsregeln feststellen, wirkte sich dies auch auf den Sender Kabelkanal aus: Der ist ein Ableger von Pro 7, da dieser 45 Prozent der Gesellschafteranteile hält. Carsten Rave, dpa/Inge Treichel, AP

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