: Großbritannien als großes Vorbild
■ Seltsame Ausfälle britischer Politiker gegen „das Ausland“
London (taz) – Großbritannien ist das ehrlichste Land der Welt. Das behauptete der Staatssekretär im Finanzministerium, Michael Portillo, am Freitag in der Universität Southampton. Das Ausland sei dagegen durch und durch korrupt, meinte er.
„Ihr habt das Abitur bestanden, weil ihr dafür gearbeitet habt“, erklärte Portillo den StudentInnen. „In jedem anderen Land kann man das Abitur kaufen, oder man erhält es, weil man ein Freund des Ministers ist.“ Während die ZuhörerInnen ungläubig kicherten, kam Portillo erst richtig in Fahrt: Im Ausland erhielten Firmen Aufträge, weil der Geschäftsführer vielleicht ein Cousin des Ministers sei oder einen Beamten bestochen habe. Großbritannien habe dagegen nur einen Fehler: Man sei zu bescheiden und glaube, anderswo sei alles besser.
Kaum hatte Portillo seine Rede beendet, da dämmerte ihm auch schon, daß er einen Fehler gemacht hatte. Er sei eben auch nur ein Mensch und habe seine Worte schlecht gewählt, verteidigte sich Portillo schließlich. Premierminister John Major lehnte die Entlassung Portillos aus dem Kabinett jedoch ab, um erneute innerparteiliche Grabenkämpfe zu verhindern. Portillo ist nämlich im Januar von den rechten Torys zum Favoriten für die Major-Nachfolge erkoren worden.
Schützenhilfe erhielt Portillo von Peter Lilley, dem Minister für Soziales, der am Freitag harte Maßnahmen gegen den „Sozialhilfe-Tourismus“ ankündigte. Lilley behauptete, daß Tausende von Menschen aus anderen europäischen Ländern sich einzig und allein deshalb in Großbritannien aufhalten, um den britischen Wohlfahrtsstaat zu schröpfen. Empfänger von Wohngeld, Sozialhilfe und Kindergeld, bei denen „das Zentrum ihrer Interessen nicht in Großbritannien liegt“, sollen künftig leer ausgehen, wenn es nach Lilley geht.
Davon betroffen wären alle, die keine feste Arbeit und keine Familie in Großbritannien haben und in der Vergangenheit überwiegend im Ausland gelebt haben – etwa 17.000 Menschen, die meisten davon aus Irland. Lilley glaubt, dadurch 50 Millionen Pfund im Jahr einsparen zu können. Doch in den meisten europäischen Staaten liegt der Sozialhilfesatz höher als in Großbritannien.
Laut einer Untersuchung der Labour Party sollten die Torys mit Korruptionsvorwürfen ohnhin vorsichtig sein, da sie selbst im Glashaus sitzen. Bei der Untersuchung geht es um den Zusammenhang zwischen Tory-Parteispenden und der Vergabe von Adelstiteln. Von allen Unternehmen in Großbritannien haben 6,2 Prozent in die Tory-Kassen gespendet, jedoch 50,25 Prozent aller Ehrentitel eingeheimst.
Die Chance, daß es sich dabei um Zufall handelt, stehe bei 1:10133. Außerdem ist die Dunkelziffer vermutlich sehr hoch, da ein Unternehmen eine Spende nicht deklarieren muß, wenn sie über eine ausländische Niederlassung läuft – also doch die korrupten Ausländer? Ralf Sotscheck
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