Doppelte Grenzen in Palästina

■ Israels Außenminister Peres und PLO-Chef Artafat unterzeichneten in Kairo ein Abkommen über die Kontrolle der Jordanbrücke und die Grenze nach Ägypten

Nach wochenlangen Verhandlungen haben die Vertreter Israels und der PLO eine teilweise Einigung über die Umsetzung des Gaza-Jericho-Abkommens erzielt. Am Mittwoch abend unterzeichneten der israelische Außenminister Shimon Peres und PLO-Chef Jassir Arafat in Kairo ein Dokument, das die zukünftige Kontrolle der Grenzübergänge am Jordanfluß und bei dem im Gaza-Streifen an der Grenze zu Ägypten gelegenen Ort Rafah regelt. Das Zwischenabkommen bildet einen kleinen, aber wichtigen Teil eines noch auszuhandelnden Vertrags über eine palästinensische Selbstverwaltung nach Abzug der israelische Truppen aus den Städten und Flüchtlingslagern im Gaza-Streifen und aus Jericho.

Laut dem Kairoer Abkommen sollen an den Grenzposten sowohl israelische als auch palästinensische Kontrolleure präsent sein. Je nach Reiseziel werden die offiziellen Kontrollen entweder von nur einer Seite oder von beiden durchgeführt. Die israelischen Grenzer werden aber in jedem Fall, und zum Teil verdeckt, das gesamte Prozedere überwachen. Die letztinstanzliche Entscheidung darüber, wer ein- und ausreisen darf, bleibt bei den Israelis.

Nach Aussage des israelischen Ministerpräsidenten Jitzhak Rabin wird noch mindestens einen weiteren Monat verhandelt werden müssen, bis eine endgültige Einigung über die Umsetzung des Gaza-Jericho-Abkommens unterschriftsreif ist und erste praktische Schritte zu dessen Verwirklichung beginnen können. In Israel wurde bekannt, daß ein endgültiges Abkommen in Paris unterschrieben werden soll. Ursprünglich hätte diese Phase mit einem Beginn des Abzugs der israelischen Besatzungstruppen am 13. Dezember vergangenen Jahres eingeläutet werden sollen. Der Truppenabzug hätte demnach bis zum 13. April abgeschlossen werden sollen.

Bei der letzten, drei Tage dauernden Etappe der israelisch-palästinensischen Marathonverhandlungen waren sowohl der ägyptische Präsident Husni Mubarak und sein Außenminister Amre Mussa als auch norwegische Diplomaten als „Katalysatoren“ behilflich. Auf dem Tisch lag als Verhandlungsobjekt ein 21 Seiten dickes Dokument über Sicherheitsfragen. In Israel beobachtete Rabin gemeinsam mit den Spitzen des Generalstabs und den Chefs der Geheimdienste jeden Schritt der Verhandlungen. Nach der Unterzeichnung hob Rabin hervor, daß Israel weiterhin für die Sicherheit aller Grenzen verantwortlich bleibe. Die komplizierten Arrangements an den Grenzübergängen, deren technische Details noch auszuarbeiten sind, sollen nach einem Jahr neu überprüft werden.

Offen bleiben in dem Abkommen vor allem die Definition des künftig teilautonomen Gebiets um Jericho sowie grundlegende Fragen zur Kompetenzen der palästinensischen Selbstverwaltungsbehörde und ihrer Polizei. Dennoch bemerkte Arafat voller Zufriedenheit, daß mit der Unterzeichnung in Kairo „der Name Palästinas auf die Landkarte des Nahen Ostens zurückgekehrt ist“.

Im Gaza-Streifen wurde das Teilabkommen dagegen mit Gleichgültigkeit aufgenommen. „Worte interessieren uns nicht mehr. Wir warten noch immer darauf, daß sich für uns wirklich irgend etwas ändert“, sagte ein Sprecher des Fatah-Büros in Gaza-Stadt. Seit der Unterzeichnung des Gaza- Jericho-Abkommens vor fünf Monaten in Washington sei nichts geschehen: „Täglich gibt es neue Menschenopfer, und viele Tausende bleiben auch weiterhin in israelischen Gefängnissen.“

Der frühere israelische Ministerpräsident und Likud-Politiker Jitzhak Shamir stellte mit Bedauern fest, daß nach der Unterzeichnung in Kairo „keine Möglichkeit mehr besteht, die volle Souveränität über ganz Großisrael zu fordern“. Israel habe damit die „Vorteile, die der Sieg im Jahre 1967 gebracht hat, wieder aufgegeben“. Die Palästinenser würden nun „ihren eigenen Staat mit der Hauptstadt Jerusalem zu errichten suchen“.

Die PLO wird jetzt alles daran setzen, möglichst rasch zu einem Abschluß der Verhandlungen mit den Israelis zu kommen. Die palästinensische Bevölkerung in den besetzten Gebieten hat immer weniger Vertrauen in die PLO-Führung in Tunis und verliert deutlich an Geduld. Außerdem fürchtet Arafat, daß ihm die syrische Regierung mit ihrem zur Verhandlung stehenden Abkommen mit Israel zuvorkommt. Amos Wollin, Tel Aviv