Auf der Suche nach dem edlen Deutschen...

■ Interview mit Dr. Benjamin Leunmi über den Rassismus der Linken

Rassismus von links, Rassismus der Linken, gibt es so etwas überhaupt?

Dr. Edimo: Es ist schwierig von einem Rassismus der Linken zu sprechen, ohne sich überhaupt darüber im Klaren zu sein, was Rassismus ist. Dieser Begriff ist einfach zu inflationär geworden. Ich betrachte das Rassismus-Phänomen, im Grunde genommen als falschen Begriff. Denn es geht eigentlich um etwas anderes: um die Eroberung Afrikas und die Vernichtung bzw. Nicht-Anerkennung der afrikanischen Kultur. Und dies als Instrument der Herrschaft.

In welcher Form wirkt sich das als Rassimus aus?

Indem man das Phänomen des Rassismus in diese westliche Globalstrategie einordnet. Um gegenüber der eigenen Bevölkerung die Eroberung Afrikas und die zielgerichtete Vernichtung der afrikanischen Kultur zu rechtfertigen, wird uns eine Art 'Kulturlosigkeit' unterstellt. Für die Wahrnehmung und Bewertung dessen, was Kultur ist bzw. sein soll, ist dabei immer die europäische bzw. westliche Sicht der Maßstab. Das heißt also, die Diskussion darüber, ob jemand Rassist ist oder nicht, fange ich nicht beim Rassismus-Disput an, sondern bei der Frage, wie dieser Mensch zur Auseinandersetzung in und um Afrika steht.

Und diesem quasi Eurozentrismus ist auch die sogenannte Linke aufgesessen?

Ja, aber sicher. Die meisten „Linken“ sind wohl weltweit gegen den Imperialismus, gehen auf die Straße gegen Vietnam oder gegen den Golfkrieg, aber am liebsten wohl deshalb, weil das außerhalb ihrer eigenen Grenzen liegt. Die meisten vergessen dabei, daß der Imperialismus um den es geht, bei ihnen zu Hause konzipiert wurde und existiert. Denn Kolonialismus ist ja nur das Abbild dessen, was man zu Hause selbst hat, nämlich die Ausbeutung der Menschen. Von der Ideologie ist es exakt dasselbe. Und dem ist auch die Linke verfallen.

Zurück zum Ausgangspunkt. Wie manifestiert sich denn dieser linke Eurozentrismus?

Zum Beispiel berichte ich bei einem Vortrag über die Probleme der afrikanischen Kultur heute, da fragt mich jemand, der sich absolut als Linker definieren würde: 'Gibt es so etwas wie afrikanische Kultur überhaupt? Ihr habt doch keine Schrift, aber ohne Schrift gibt es keine Zivilisation und keine Kultur'. Das ist zwar ein relativ dummes Beispiel, aber mir hat es klargemacht, daß die Definition, Linker zu sein, nicht den geringsten Aussagewert in Bezug auf Rassismus hat.

An welchen konkreten Problemen macht sich denn in Ihrer politischen Arbeit dieser immanente, latent vorhandene Rassismus fest?

Ein gutes Beispiel sind sogenannte „linke“ Organisationen, die sich für ImmigrantInnen einsetzen. Für viele, ja für fast alle, ist diese Arbeit oft nur ein Sprungbrett für die eigene Karriere, um anerkannt zu werden als deutscher Spezialist für Afrika-Fragen. Außerdem habe ich bisher noch nicht erlebt, daß diese 'linken' Organisationen ganz gezielt eine Stelle, bei der es um ImmigrantInnen geht, ganz speziell für ImmigrantInnen ausgeschrieben hat, zumindest nicht bei sogenannten lukrativen, festen Stellen.

Mit anderen Worten, Sie fordern, in der Arbeit mit ImmigrantInnen mehrheitlich Betroffene einzustellen?

Ja, denn in dem Moment, wo man eine Stelle, bei der es um afrikanische Angelegenheiten geht, statt mit einem qualifizierten Afrikaner mit einem deutschen Linken besetzt, ist das für mich Rassismus. Oder bestenfalls Paternalismus mit rassistischem Vorzeichen bzw. Rassismus mit paternalistischem Vorzeichen.

Aber ist diese Forderung nicht eine Art Rassismus von der anderen Seite?

Nein, denn die Betroffenheit gehört dazu. Ein qualifizierter Europäer kann den qualifizierten afrikanischen Menschen nicht ersetzen. Ein nicht-diskriminierter Mensch kann nicht anstelle des Diskriminierten arbeiten, weil er als Nicht-Diskriminierter letzten Endes diesen seelischen Zugang zum Phänomen des Diskriminiert-Seins nicht hat.

Ist das die einzige Form des versteckten Rassismus?

Nein, abgesehen davon gibt es noch einen institutionalisierten Rassismus. Fast alle Institutionen und Behörden in der Stadt wissen, daß es die AUH gibt und welche Art von Arbeit wir leisten. Man schickt uns ja regelmäßig Leute zur Beratung, aber Planstellen bekommen wir trotzdem nicht. Die bekommen dann deutsche Organisationen, die sich Afrika-Arbeit auf die Fahnen geschrieben haben; die wiederum kommen aber dann zu uns, um sich instruieren bzw. beraten zu lassen. Das ist nicht nur ungerecht, sondern genau das, worüber wir hier reden.

Beschränkt sich diese Art von rassistischer Diskriminierung denn nur auf die staatlichen oder vom Staat unterstützten Institutionen?

Oh nein, auch andere Linke sind da durchaus nicht zimperlich, sich mit unserer Arbeit und auf unsere Kosten zu profilieren. Die Liste wäre endlos.

Zusammenfassend kann ich aus eigener Erfahrung sagen, daß ein unnötiger Konkurrenzgeist der Linken gegenüber afrikanischen Organisationen z.B. der AUH herrscht. Mehrere Initiativen und Konzepte von uns wurden einfach übernommen, wobei wir in den herausgegebenen Unterlagen noch nicht einmal als solche erwähnt wurden. Anti-Rassismus besteht nach meiner festen Überzeugung in permanenter Auseinandersetzung mit der Ideologie des Rassismus. Diese Ideologie ist die westliche Globalstrategie in Afrika.

Interview: Sonia Shinde