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„Brückner wußte alles“

■ Galla: Behörden und SPD duldeten graue Kassen

Auf seiner weißen Weste sieht er nur kleine graue Spritzer: Denn der Chef der „Schwarzgeldklinik“ wollte nur das Beste für sein Krankenhaus. So präsentierte sich gestern der ehemalige Verwaltungschef der St. Jürgen-Klinik, Aribert Galla, vor Gericht. Der Angeklagte sagte zum ersten Mal zu den Vorwürfen gegen ihn aus, und seine Verteidigungslinie wurde deutlich: Freimütig gestand er die Einrichtung von „grauen Kassen“, aber dort will er nur Geld für Investitionen im Krankenhaus gesammelt haben. Persönliche Bereicherung? Nie und nimmer, beteuerte Galla vor dem Landgericht, wo er sich wegen fortgesetzter Untreue und Bestechlichkeit verantworten muß. „Ich habe kein Vermögen“, sagte der Mann, dem die Staatsanwaltschaft die Annahme von einer Million als Schmiergelder vorwirft.

Auch für die SPD soll aus Gallas Geschäften etwas abgefallen sein. Außerdem will er bei der Finanzierung seines Krankenhauses auf Umwegen immer und überall Rückendeckung von Gesundheits- und Baubehörde und von der SPD gehabt haben.

Nach Gallas Schilderung war das Zentralkrankenhaus St. Jürgen ein marodes Haus, als er, dynamische 31 Jahre jung, den Posten des Verwaltungschefs übernahm: Inkompetente Führung, die bauliche Substanz verrottet, keine Wirtschaftsplanung, keine Investitionen, kein Geld in der Kasse. „Viel kaputtzumachen gab es da nicht“, meinte Galla. Und so habe er die Ärmel aufgekrempelt, sei an die Arbeit gegangen und habe das Haus „direkt und hart“ geführt.

Doch schon vor seiner Amtsübernahme manövrierte Galla sich knietief in den Sumpf. Die Firma „Milupa“ wollte 240.000 Mark springen lassen, wenn die Neugeborenen in St. Jürgen mit ihren Produkten beschenkt würden. Da er dringend Geld für Geräte im Kreißsaal benötigte, habe er sich in seiner Not an SPD-Gesundheitssenator Herbert Brückner gewandt. „Wir können jede Mark gebrauchen, ich entscheide das“, sei dessen Antwort gewesen, meinte Galla. Über die Roland-Klinik sei das Geld dann geflossen. Das Modell „Drittmittelakquisition fürs ZKH“ war geboren, und nach ihm wurde fleißig weiter verfahren: Das Krankenhaus verkaufte Blutkonserven, benützte Firmenrabatte und Rückzahlungen, erzählt Galla, um in dringend benötigte Instrumente und Bauvorhaben zu investieren. Vieles sei mit Wissen und Billigung der Aufsichtsbehörden angeschafft worden.

Über den Verstoß gegen Haushaltsvorschriften durch seine Kreislauffinanzierung sah Galla großzügig hinweg. Geheime Konten für seine Geldsammlung habe er benötigt, weil er das Geld „ja nicht im Schuhkarton“ aufbewahren konnte. Von Provisionen für Aufträge und Geschenke will er nichts wissen: „ich habe nichts gefordert, nichts bestellt, nichts gesehen.“ Geschädigt wurden durch diese Politik die Krankenkassen, da Einnahmen des Krankenhauses normalerweise zur Senkung des Pflegesatzes geführt hätten.

Auch auf die Geschäfte, die er seinem angeheirateten Cousin Harald Hoops zukommen ließ, läßt er nichts kommen: „Das Geld ist für Baumaßnahmen und Beratungen gezahlt worden.“ An einen Mann, ergänzt der Richter, der kein Architekt war, sondern „Spezialist für den Bau von Viehställen.“

Bei der Verhandlung versucht der Vorsitzende Richter Kurt Kratsch immer wieder, sich einen Weg durch das verfilzte Dickicht von grauen Kassen, Scheinfirmen und fingierten Aufträgen zu bahnen. Doch Aribert Galla läßt bohrende Nachfragen kaltschnäuzig abprallen: Alles sei ganz anders gewesen und im Zweifel kann er sich nicht erinnern: „Das ist schließlich 17 Jahre her.“

Der ehemalige Genosse Galla will auch seine Partei mit dem Geld der Lieferfirmen beglückt haben. So seien Reste einer Unternehmensspende und auch einmal der gesamte Betrag von 20.000 Mark an die Bremer SPD gegangen. Dafür, erzählt Galla, habe er sich aber auch mit unfähigen Mitarbeitern herumschlagen müssen, die das richtige Parteibuch hatten: „Als ich einen entlassen wollte, haben mir Bürgermeister und Senator gesagt: Das geht nicht, der ist ein guter Kassierer im Ortsverein Habenhausen.“

Ebenfalls aus einer grauen Kasse will Galla die Buchhandlung seiner Frau beauftragt haben, Bücher für die Krankenpflegeschule anzuschaffen. Bei der Überprüfung des Bestandes, berichtet Richter Kratsch, fehlte ausgerechnet das Buch „Das Rechnungswesen der Krankenhäuser.“ Bernhard Pötter

Fortsetzung: 16.2., 9 Uhr im Landgericht, Raum 218

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