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Invasion der Müllöfen in Polen

Wie in Polen westliche Müllverbrennungsanlagen mit westlichen Krediten westlichen Sondermüll verbrennen / Polen weiß nicht mehr, wohin mit dem eigenen Müll  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

„Wir sehen dem Tod in die Augen“, stand auf den Plakaten, die über tausend Bürger der kleinen pommerschen Gemeinde Barcin mit sich trugen. Barcin und einige Nachbarorte wehren sich seit Monaten gegen den Bau einer Sondermüllverbrennungsanlage, die von der französischen Firma Sico in einer Zementfabrik gebaut werden soll und nach Fertigstellung bis zu 260.000 Tonnen giftige Abfälle – vor allem Altöl – verbrennen wird. Als Zugabe versprechen die Investoren „einige hundert neue Arbeitsplätze.“

Müllöfen bringen keine Arbeitsplätze

Trotzdem ist die Begeisterung der Bevölkerung gering. Auch anderswo wehren sich Umweltschützer und Fachleute gegen den Import westlicher Müllverbrennungsanlagen, die unter der Bezeichnung „Recycling-Anlagen“ angepriesen werden. „Westliche Pyromanie auf dem Weg in den Osten“ seien solche Angebote, findet etwa Iza Kruszewska, Polen- und Abfallexpertin von Greenpeace. „Arbeitsplätze entstehen in Verbrennungsanlagen nur in minimalem Umfang“, widerlegt sie die Argumente von Sico. „Dafür schaffen Verbrennungsanlagen Anreize zur Müllbildung, denn sie wollen gefüttert werden, sonst amortisiert sich ihr Bau nicht. Und bei der Verbrennung werden Giftstoffe wie Dioxine entweder in die Luft geblasen, oder abgefiltert, was heißt, daß man sie auch anschließend irgendwo lagern muß.“

Für Polens Gemeinden und Behörden sind viele der westlichen Angebote dennoch verlockend. Vor drei Jahren hat Polen mit seinen westlichen Gläubigerstaaten ausgehandelt, daß zehn Prozent der polnischen Auslandsschulden in Umweltinvestitionen umgewandelt werden können. Nun bieten italienische und französische Investoren an, ihre Verbrennungsöfen auf diese Weise zu finanzieren. Kein Pappenstiel: In Barcin geht's um Größenordnungen von zweistelliger Millionenhöhe, in Dollar, versteht sich. Nach Angaben des Polnischen Ökologischen Klubs in Kattowitz liegen landesweit bereits 21 Angebote für Hausmüllverbrennungsanlagen, 24 für Industriemüll und fünf für Klinikabfälle vor, gegen 13 gibt es organisierten Widerstand.

Importboom überhäufte Polen mit Müll

Die Invasion der Müllöfen ist die direkte Folge des polnischen Importbooms, der mit der Öffnung der Grenzen einsetzte und nach Schätzungen von Umweltschützern die Abfallmenge auf den Hausmülldeponien um 40 Prozent in die Höhe schießen ließ. Bis vor zwei Jahren wurden sogar Joint- ventures für die Herstellung von Verpackungsmaterial ohne Rücksicht auf dessen Umweltverträglichkeit von Polens Fiskus mit Steuervorteilen belohnt.

Nun stehen die Behörden vor dem schnell wachsenden Abfallberg. Jährlich produziert Polen 165 Millionen Tonnen Abfälle, davon acht Millionen Tonnen Gefahrenstoffe. Nach Angaben der staatlichen Umweltinspektion liegen zur Zeit bereits zwei Milliarden Tonnen Industriemüll auf Polens Halden, denn nur die Hälfte aller anfallenden Abfälle wird wiederverwendet oder vernichtet. Hinzu kommen noch mal 47 Millionen Tonnen Hausmüll, die bisher nur gelagert wurden.

Getrennt wird in Polen nur ausnahmsweise, wenn private Initiativen dies selbst organisieren. Früher konnte man alte Flaschen gegen Haushaltsgeräte und Altpapier gegen knappes Klopapier eintauschen. Seit das nicht mehr knapp ist, schließen immer mehr Tauschstellen. 1993 ließ das Umweltministerium deshalb sogar den Import von Altpapier wieder zu.

Den Hausmüll zu verbrennen halten Ökologen für kurzsichtig. Iza Kruszewska: „Hausmüll hat in osteuropäischen Ländern meist einen geringen Brennwert. Er enthält viel Wasser, denn 40 Prozent seines Volumens bilden organische Abfälle. Mülltrennung und Kompostierung bringen da viel mehr als Verbrennen.“

Nachdem viele polnische Hersteller und ausländische Investoren in den letzten Jahren Millionen Dollar in die Herstellung von Tetra-Packs und Plastikflaschen gesteckt haben, müssen sie sich nun aufs Gegenteil umstellen. Seit 1. Februar ist Polen formell mit der Europäischen Union assoziiert und muß sich mit seinen Exporten an die strenger werdenden Umweltnormen anpassen. Bereits 1992 führten so strengere Verpackungsnormen in Deutschland dazu, daß polnische Lebensmittel und Glühbirnen kaum noch Exportchancen haben. Doch je weniger umweltfeindliche Verpackungen exportiert werden können, desto größer die Versuchung, sie im Inland den Konsumenten in die Einkaufskörbe zu drücken – und anschließend zu verbrennen.

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