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Serbischer Folterer verhaftet?

■ Die Bundesanwaltschaft läßt einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher aus Bosnien festsetzen

Berlin (dpa/taz) – Nach mehreren Wochen intensiver Observation schlug das Bundeskriminalamt am vergangenen Samstag zu. Ein Sonderkommando verhaftete in München Dusko (Dule) Tadić, einen serbischen Milizionär, der sich durch besondere Brutalität bei der Ermordung von Gefangenen in dem berüchtigten serbischen Lager Omarska hervorgetan haben soll. Damit droht erstmals einem mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher ein Prozeß vor einem deutschen Gericht. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm Beihilfe zum Völkermord, Mord und gefährliche Körperverletzung vor. Der Hinweis für die Festnahme kam von einem Fernsehteam des Südwestfunks, das seit Monaten versuchte, serbische Kriegsverbrecher in Deutschland aufzuspüren.

„Der Beschuldigte ist fanatischer Anhänger der ,großserbischen Sache‘. Als Mitglied der ,Serbischen Partei‘ wollte er als Milizionär zur Politik der ,ethnischen Säuberung‘ beitragen“, erklärte die Anklagebehörde. Es bestehe „dringender Tatverdacht“, daß er im Juni 1992 muslemische Gefangene im Konzentrationslager Omarska in Bosnien mehrfach mit dem Gewehrkolben mißhandelt habe. In den ARD-„Tagesthemen“ berichtete außerdem ein Zeuge, Tadić habe ihn gezwungen, drei Mitgefangenen die Hoden abzubeißen.

Tadić ist 28 Jahre alt und stammt aus Kasrac in Bosnien, einem Ort in der Nähe des früheren Bergwerks Omarska. Er betrieb dort früher eine Karateschule und war auch in München bei seiner Festnahme vermutlich auf dem Weg zum Kampfsport-Training. Tadić lebte seit vier Monaten mit Frau und Kindern in München. Er verhielt sich vorsichtig, aber nach Auffassung eines an der Recherche beteiligten Journalisten eher aus Angst vor Racheakten aus den Reihen bosnischer Muslime. Die Bundesanwaltschaft stützt ihre Anklage gegen den serbischen Staatsbürger Tadić auf das sogenannte Weltrechtsprinzip, nach dem ihm auch vor einem deutschen Gericht der Prozeß gemacht werden kann. Das deutsche Strafgesetzbuch sieht für Völkermord lebenslange Freiheitsstrafe vor, für Beihilfe eine Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.

Nach Informationen der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen, die sich dabei auf bosnische Flüchtlinge beruft, sollen sich in Deutschland mehrere Dutzend serbischer Kriegsverbrecher aufhalten. Die Gesellschaft forderte Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) auf, die Verfolgung aufzunehmen. Zur Zeit sollen zwölf weitere Ermittlungsverfahren in Deutschland anhängig sein.

Schon im Sommer 1993 hieß es, die Bundesanwaltschaft habe sechs Verfahren eingeleitet. Vor etwa einem Jahr hatten zudem Zuschauer einer Fernsehsendung neun serbische Tschetniks im Studio-Publikum erkannt, gegen die ebenfalls wegen Mordes und Vergewaltigung ermittelt werden sollte. Der Gesellschaft für bedrohte Völker liegt eine Liste des Dokumentationszentrums zur Erfassung von Kriegs- und Genozidverbrechen aus Zenica vor, die 1.350 Namen umfaßt. Tagesthema Seite 3, Kommentar Seite 10

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