■ Stasi-Urteil: Bewährung für Tell
Ein Stasi-Spion, der jahrelang Filme mit einer selbstgebastelten Armbrust über die deutsch-deutsche Grenze schickte, ist am Dienstag vom Oberlandesgericht Celle zu neun Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem ordnete das Gericht den Verfall des Agentenlohns von 50.000 Mark an. Der 58 Jahre alte ehemalige Modellbauer bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Göttingen (DLR) sei ein „Agent der unteren Spielklasse“ gewesen, meinten die Richter. Er habe von 1972 bis 89 hauptsächlich Modellzeichnungen und Windkanalmodelle von Flugzeugen fotografiert und bei Bad Sooden-Allendorf dem Ministerium für Staatssicherheit zukommen lassen.
Der Führungsoffizier des Modellbauers bezeichnete vor dem OLG-Senat das Verratsmaterial als „für sich allein genommen minderwertig“. Auch der Angeklagte meinte, oft seien seine Lieferungen „nur Schrott“ gewesen. „Aber die drüben haben sich gefreut“, sagte er.
Zu seinem Motiv sagte der zweifache, 1959 aus der DDR geflohene Familienvater, er habe ursprünglich 1971 nur zu seinen Eltern und Geschwistern in die DDR zurückkehren wollen. Das „Terroristen-Klima“ in der Bundesrepublik und Unzufriedenheit mit seiner Arbeit hätten den Ausschlag gegeben. Nach mehreren vergeblichen Anläufen, offiziell auszuwandern, sei er schließlich mit dem Staatssicherheitsdienst konfroniert und zur Mitarbeit halbwegs gezwungen worden.
Wegen seiner Republikflucht habe er etwas „gutzumachen“ gehabt. Auch sollte er in den Zeiten des Kalten Krieges „etwas für den Frieden tun“, hätten die Stasi-Offiziere von ihm gefordert. Jahrelang, so berichtete der Führungsoffizier, habe der Modellbauer überredet werden müssen, im Westen zu bleiben. Für den Bau eines Eigenheims bei Witzenhausen/Hessen habe die Stasi mehrere 10.000 Mark spendiert. dpa
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