Bringt mir den Kopf vom Roland!

■ Bremer Selbständigkeit: demnächst als Dauerbrenner im Fockemuseum / Ein Gespräch mit Museumsleiter Jörn Christiansen und Ausstellungsmacher Gerd Hofschen

taz: „Bremen wird hell“ sollte ja ein Markstein in der Entwicklung des Museums werden, in der Verbindung von Sozial-, Kultur- und Technikgeschichte. Wie ist es Ihnen denn bisher gelungen, Leute mit ganz verschiedenen Interessen in diese Ausstellung zu holen? Gerd Hofschen: Da sind viele Leute dabei, die das Museum gar nicht kannten. Und man hört häufiger, daß hinterher gesagt wird: Da wollen wir doch nochmal hin, oder sich im Mittelalter oder in der Schiffahrtsabteilung umgucken. Welche der kostbaren Stücke haben die Besucher denn bisher denn am meisten begeistert? Hofschen: Vor allem die sehr nostalgisch geprägten Dinge, da gibt es Wiedererkennungsszenarien vor allem in unserer Haushaltsabteilung. Da stehen die Leute davor und sagen: Das hat doch unsere Großmutter schon gehabt, das hatten wir in den 50er Jahren doch auch mal. Da gibt es eine große Faszination. Aber man kann nicht vorherberechnen, welches Objekt den einzelnen Besucher eigentlich fesselt, das ist auch das Schöne an diesem Museum.

Was bleibt denn außerdem von dieser Ausstellung, nach dem 4. April? Christiansen: Was wohl nicht bleibt, ist der Katalog. Die Auflage von 3500 Stück ist fast ausverkauft, das ist ein großer Erfolg innerhalb eines halben Jahres. Was bleibt, sind erst einmal einige Geräte für die Schausammlung: Die große Presse, die Galvanisier-Vorrichtung zum Beispiel werden unmittelbar in die neu eingerichtete 19. Jahrhundert-Abteilung eingehen. Das wird auch ein Schritt sein bei der Reorganisation der Dauerausstellung; das können wir nicht auf einen Rutsch tun. Was soll sich dabei alles ändern? Christiansen: Das wichtigste, was wir vorhaben: Wir wollen unter dem Aspekt der Unabhängigkeit Bremens und des Ringens um diese Selbständigkeit – ohne das jetzt bewerten zu wollen – versuchen, das als roten Faden zu nehmen, um unsere Dauerausstellung zu renovieren. Wenn man in die Sage hineingeht, reicht das hinter Karl den Großen zurück und geht natürlich bis in die Gegenwart und die Diskussion um die Selbständigkeit.

Ab wann ist das zu sehen? Christiansen: Ab einem markanten, historischen Datum; das könnte 1996 sein, wo das Linzer Diplom 350 Jahre alt wäre, oder auch –97, wenn Bremen 50 Jahre Bundesland ist. Vor allem wollen wir abgehen vom Bild in anderen stadtgeschichtlichen Sammlungen, wo es mit der Archäologie beginnt und man sich irgendwie beliebig durch die Jahrhunderte schlängelt. Hofschen: Wobei unser roten Faden, die Selbständigkeit Bremens, ja wirklich etwas besonderes ist. Freie Reichsstädte hat es zu Hunderten gegeben im Mittelalter; die meisten sind spätestens 1866 aufgehoben worden. Aber Bremen und Hamburg sind tatsächlich übriggeblieben. Christiansen: Wobei das keine reine Verfassungsgeschichte werden soll; die dient nur als Auslöser für kultur-, wirtschafts- und sozialgeschichtliche Ereignisse. Ich denke, es wird mehr zu sehen sein als früher – aber anders interpretiert. Hofschen: Und sie kriegen auch zum ersten Mal Politik- und Sozialgeschichte in die Dauerausstellung rein. Da könnte man die ganze ökonomische Unterfütterung dieser Selbständigkeit zeigen: Warum kaufen wir Bremerhaven? Warum wird die Weser vertieft? Die Argumentation ist bis auf den heutigen Tag dieselbe geblieben. Läßt sich das alles denn in Museumsexponaten zeigen? Christiansen: Wir könnten zum Beispiel mit den ältesten Siegeln anfangen, die zeigen, wie das Verhältnis von Kirche und Staat war. Auf denen Bischof und Kaiser mal links, mal rechts thronen, je nach politischer Lage... Christiansen: Genau. Oder die Rathausfiguren, die wir haben. Die sollen nicht als kunst- und stilgeschichtliche Relikte behandelt werden, sondern auch als Zeugnisse der Entwicklung dieser Stadt. Hofschen: Wir haben ja die einmalige Situation, daß unser Marktplatz praktisch die Sozialgeschichte von 400 Jahren von Feudalismus und Kampf gegen den Feudalismus symbolisiert: Der Roland, der gegen den Dom als Bischofssitz steht; das Rathaus, gegen das später die Kaufleute ihr eigenes Haus setzen – das ist didaktisch unglaublich einleuchtend zu inszenieren. Christiansen: Da sagen die Leute natürlich: Warum geht ihr nicht gleich auf den Marktplatz? Aber wir haben eben die Originale im Museum; sie wissen ja: Der Rolandkopf hier ist der echte; der auf dem Marktplatz nur ein nachgemachtes Teil. Fragen: Thomas Wolff „Bremen wird hell“, bis 4.4. im Landes- und Fockemuseum (Schwachhauser Str. 240)