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Das Ende eines Friseurbesuchs

■ FDP-Fraktionsvorsitzende Carola von Braun legt Ämter nieder / Sie läßt „bis auf weiteres“ offizielle Politik ruhen

Es war ein Rücktritt in Raten. Noch vor zwei Wochen, als Carola von Braun den Landesvorsitz der FDP abgab, hatte sie verkündet, bis zum Ende der Legislaturperiode 1995 ihre Fraktion im Abgeordnetenhaus anzuführen. Gestern nun verkündete die 51jährige mit dem blond getönten Kurzhaarschnitt ihren Entschluß, vom Fraktionsvorsitz zurückzutreten und „bis auf weiteres“ die offizielle Politik ruhen zu lassen. Auch ihr Mandat als Abgeordnete wolle sie niederlegen sowie aus ihren Funktionen im Rundfunkrat des SFB und im FDP-Bundespräsidium ausscheiden.

Trotz ihrer offenkundigen Niederlage in der „Figaro-Affäre“ – die FDP-Politikerin hatte unter anderem Friseurbesuche aus der Fraktionskasse beglichen – wirkte von Braun gestern entspannt. Sie freue sich bereits, wieder an der Basis „ohne Schere im Kopf“ politisch zu diskutieren. In den letzten Wochen, so ihr Fazit, sei in der FDP eine „Schlammschlacht“ mit Methoden ausgetragen worden, die „weit unter die Gürtellinie“ gingen. Ihre Entscheidung sei auch mit Rücksicht auf ihre Familie geschehen, die zunehmend in die Dikussion um ihre Person hineingezogen worden sei.

Den für lange Zeit wohl letzten Auftritt vor den Medien nutzte von Braun für geharnischte Angriffe gegen ihre innerparteilichen Kontrahenten. Diese hatten sich in den letzten Wochen fast täglich in den Medien mit immer neuen Anschuldigungen und Spekulationen zu Wort gemeldet und den innerparteilichen Kampf in einen öffentlichen Showdown verwandelt.

Von den Personen, die „in der vordersten Front der Schlammschlacht“ gestanden hätten, werde „keiner den kommenden Parteitag überleben“, prophezeite von Braun. Namentlich attackierte sie Wolfgang Mleczkowski, einen ihrer schärfsten Widersacher. Der Abgeordnete und Spandauer FDP-Vorsitzende hatte innerhalb der Fraktion mit Vertretern des rechtsliberalen Flügels die Demontage der FDP-Frau betrieben. Bereits im Vorfeld der gestrigen Fraktionssitzung hatte Mleczkowski einen Mißtrauensantrag gegen von Braun angekündigt.

Gegenüber der taz zeigte sich die FDP-Politikerin überzeugt, daß es sich bei den Auseinandersetzungen um ihre Person in Wirklichkeit um einen politischen Machtkampf gehandelt habe, der mit „normalen demokratischen Mitteln nicht zu erreichen war“. Die FDP solle, so ihr Eindruck, in eine „nationalliberale Ecke“ gedrängt werden.

Aus Bonn kamen gestern verständnisvolle Worte für den Abgang der FDP-Fraktionschefin. Ihr Widersacher, der Bonner Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt, erklärte, er respektiere ihre Entscheidung. Rexrodt, der dem rechtsliberalen Flügel seiner Partei zugerechnet wird und auf dem Landesparteitag der Berliner FDP im März um den Vorsitz des Landesverbandes kandidiert, ist überzeugt, daß der Schritt der FDP-Politikerin die Situation der Berliner Partei erleichtern werde. Im Interesse einer raschen Konsolidierung solle die Fraktion nun „schnell, korrekt und ohne Komplikationen“ ihren neuen Vorsitzenden bestimmen, appellierte er. Der geschäftsführende Vorstand – dem Rexrodt derzeit angehört – werde mit dem neuen Fraktionschef eng und konstruktiv zusammenarbeiten. „Es kommt jetzt darauf an, daß die Partei umgehend zu einer geschlossenen Erscheinung und zu konstruktiver politischer Sacharbeit zurückfindet.“ Die Fraktion verschob auf ihrer gestrigen Sitzung die Wahl eines neuen Vorsitzenden auf kommenden Dienstag.

Die FDP-Politikerin äußerte gestern ihren Wunsch, wieder in den öffentlichen Dienst zurückzukehren, wo sie zuletzt als Landesfrauenbeauftragte tätig war. Der Posten, für den sie sich 1984 und 1991 beurlauben ließ, wurde in der Zwischenzeit jedoch mit dem Amt der Frauenstaatssekretärin zusammengelegt. Sie habe, so von Braun, jedoch ein Rückkehrrecht auf ein vergleichbares Amt. Severin Weiland

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