Ermittlungen gegen Kriegsverbrecher

Opfer erkennen Gewalttäter in Berlin, München und Braunschweig / Elf Verfahren in Karlsruhe anhängig / CDU-Abgeordneter Stefan Schwarz attackiert Düsseldorfer Behörden  ■ Aus Bonn Hans Monath

Nach der Verhaftung des mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrechers Dusko Tadic in München haben bosnische Exilanten weitere Namen von Folterern und Totschlägern genannt, die sich in der Bundesrepublik aufhalten. Das erklärte gestern der Vorsitzende der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Tilman Zülch.

Unter anderen seien der GfbV Namen von serbischen Kriegsverbrechern bekannt geworden, die in Berlin, München und Braunschweig von Opfern oder Angehörigen von Opfern erkannt wurden. Die Gesellschaft, die eng mit Exilanten aus Bosnien zusammenarbeite, werde diese nach einer Prüfung der Angaben ermutigen, Anzeige gegen die Kriegsverbrecher zu erstatten.

Der GfbV-Vorsitzende kritisierte gestern die deutschen Behörden, die den Hinweisen der Menschenrechtsorganisation in der Vergangenheit nicht nachgegangen seien.

So habe die GfbV die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe schon im August 1993 über die von ihr seit eineinhalb Jahren gesammelten Erkenntnisse über serbische Kriegsverbrecher in der Bundesrepublik informiert. Seit Februar liege eine Liste mit 1.350 Namen von Kriegsverbrechern vor. Die Behörde habe auf das Schreiben aber nicht reagiert. Von der Bundesanwaltschaft war zu dem Vorwurf gestern keine Stellungnahme zu erhalten.

Zwölf deutsche Ermittlungsverfahren gegen Kriegsverbrecher sind der Gesellschaft nach Angaben von Zülch bekannt geworden. Diese seien bei der Bundesanwaltschaft anhängig. Das Bundesjustizministerium bestätigte gestern, daß Ende Januar in Karlsruhe elf Verfahren anhängig gewesen seien. Nicht auszuschließen sei, daß inzwischen ein weiteres hinzugekommen sei.

Auch der Bundestagsabgeordnete Stefan Schwarz (CDU) hat den deutschen Behörden vorgeworfen, zuwenig zu tun, um serbische Kriegsverbrecher zu belangen. In Interviews mit dem Deutschlandfunk und dem Kölner Express attackierte Schwarz vor allem die Behörden Nordrhein- Westfalens. Die Polizei des Bundeslandes lasse es zu, „daß es ganze Nester von Kriegsverbrechern in Nordrhein-Westfalen gibt“, sagte er.

Innenminister Herbert Schnoor (SPD) wies die Vorwürfe in schroffer Form zurück. Der Abgeordnete habe seine „angeblichen Erkenntnisse“ dem zuständigen Innenminister niemals mitgeteilt. „Wer Erkenntnisse über den Aufenthalt serbischer Kriegsverbrecher in Deutschland hat und dieses Wissen den Ermittlungsbehörden vorenthält, steht dem Täter näher als dem Opfer“, sagte Schnoor.

Die Vorwürfe gegen die Behörden Nordrhein-Westfalens nannte GfbV-Vorsitzender Zülch gestern „unergiebig“. Als Abgeordneter der CDU solle Schwarz besser „vor der eigenen Tür kehren“ und kritisch die Politik der Bundesregierung im Krieg in Ex-Jugoslawien untersuchen, forderte er. Bundeskanzler und Außenminister beteiligten sich an einer „Teilungspolitik“, die Vertreibung, Massenvergewaltigungen, Mord und Folter belohne, indem sie den Serben zwei Drittel Bosniens zuspreche.

Die Verfolgung einzelner serbischer Gewalttäter in Deutschland ist für den GfbV-Vorsitzenden nur ein „wichtiges Nebenthema“. Wichtiger sei es, militärische Befehlshaber und politisch Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, die heute am Verhandlungstisch säßen. Stefan Schwarz will in den kommenden Tagen eine Dokumentation über Kriegsverbrecher aus Ex-Jugoslawien vorlegen, die sich in der Bundesrepublik aufhalten.