: Streit um SED-Akten geht weiter
■ Rita Süssmuth kritisiert die Enquetekommission wegen ihres laxen Umgangs mit belastenden SED-Akten
Bonn/Berlin (taz/dpa) – Was hat welcher westdeutsche Politiker wann mit SED-Funktionären gesprochen und verhandelt? Diese Frage und ihre publikumswirksame Beantwortung anhand von SED-Akten beschäftigt die Öffentlichkeit, seit Johannes Rau unter Verdacht geriet, sich 1986 Wahlkampfhilfe durch die SED-Oberen verschafft zu haben. Seither vergeht kein Tag, an dem nicht neue Details aus SED-Protokollen an die Öffentlichkeit kommen. Längst sind es nicht mehr nur SPD-Politiker, die ins Zwielicht gerückt werden. Seitdem auch Kanzler Kohl, Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth oder ihr Amtsvorgänger Philip Jenninger ihre angeblichen Äußerungen via SED-Akten gespiegelt bekommen, hat zumindest deren Wahlkampfverwertbarkeit erheblich nachgelassen. Wie zuvor bei den Stasi-Akten dämmert es den Beteiligten, daß eine wissenschaftliche Klärung der Aussagekraft solcher Dokumente nottut, bevor mit ihrer Hilfe Politiker beschuldigt werden, sich der SED gegenüber liebedienerisch verhalten zu haben.
So hat Rita Süssmuth ein „quellenkritisches Studium“ der Akten gefordert und zugleich die Enquetekommission des Bundestages zur Aufarbeitung der SED-Vergangenheit kritisiert: Es sei „ein Unding“, wie mit den Akten umgegangen werde, die im Auftrag der Kommission gesichtet werden. Die Kommission lasse ihre Arbeitsergebnisse parteipolitisch instrumentalisieren. Es sei schwer zu verantworten, wenn das Gremium die ihr zu Verfügung stehenden Akten ohne Kenntnis und Stellungnahme der Betroffenen an die Öffentlichkeit bringe. In der Tat kursieren bereits seit einigen Wochen Teile der im Auftrag der Enquete angefertigten Studie zur „Einflußnahme der SED auf die westdeutschen Parteien“ sowie die ihr zugrunde liegenden Dokumente unter Politikern und Journalisten.
Gestern wies Eppelmann die Kritik zurück. Es sei „menschlich beklagenswert“, so der Kommentar des Vorsitzenden, wenn Kommissionsmitglieder solche Dokumente weitergäben, bevor das Gremium selbst diese aufgearbeitet habe. Doch es sind nicht nur Kommissionsmitglieder, sondern die von der Enquete beauftragten Wissenschaftler – die selbst keine Fachhistoriker sind –, die ihre Forschung der Öffentlichkeit präsentieren, noch bevor sich die Kommission damit beschäftigt hat.
Doch ungeachtet der aktuellen Kontroverse über die Aussagekraft von SED-Akten hat sich Eppelmann zumindest schon mal einen vagen Begriff von ihrer Verwertbarkeit gemacht: „Ich kann mir nicht vorstellen“, betätigt sich Eppelmann als Quellenkritiker, „daß darin etwas ganz anderes steht als was wirklich gesprochen wurde“.
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