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Existential-Design

■ David Jacobsens „Criminal“ (Forum)

Gus Bender hat es hart erwischt. Erst betrügt er seine Firma, um seiner nörgelnden Ehefrau endlich das ersehnte Einfamilienhaus kaufen zu können. Dann betrügt seine Frau ihn. Und als er das Geld klammheimlich wieder einzahlen will, sagen die raffgierigen Immobilienhaie: njet. Und dann ist der Film auch noch in depressiv dräuendem Schwarzweiß. Schuld an all dem ist unübersehbar sein kleines Büro, das vom matten Licht einer summenden Neonröhre beleuchtet wird. Vielleicht hat er auch noch Krebs ...

„Criminal“ erzählt die lautlose Geschichte eines Scheiterns. Gus ist alles Übel in die Gesichtszüge eingraviert. Er setzt sich in den Wagen und fährt einfach drauflos. Weg ins metaphysische Iregendwo, das bekanntlich auf amerikanischen Straßen zu finden ist. Am Straßenrand gabelt er ein Zimmermädchen auf. Es folgt eine unvermeidliche Romanze, die ebenfalls scheitert, weil sie bei einer Schlägerei mit ihrem Ex-Lover die Treppe hinunterstürzt und sich das Genick bricht — dekorativ glänzen Blutstropfen. Dabei hatte sie, sagt Gus, so eine weiche Haut.

Warum das alles so kommen mußte, kann man genau erkennen. Der hagere und wortkarge Angestellte mit Halbglatze sieht nämlich genauso aus wie jemand, dem solches widerfährt. Zudem redet der traurige Mensch ständig im Off- Kommentar von seiner Kindheit. Und davon, daß im Film normalerweise der Held das Scheitern stets zu einem Triumph wenden kann. Spätestens hier wissen wir: Das kann nur übel enden. Außerdem regnet es die ganze Zeit. Nicht aus meteorologischen Gründen. Sondern weil der verhangene Blick durch die Windschutzscheibe mit dem laufenden Scheibenwischer die Sicht frei gibt auf die innere Landschaft unseres armen Helden. Genau wie man es auf der Filmhochschule lernt.

„Criminal“ ist ein Film, der allen Klischees auszuweichen versucht und dabei eine Checkliste der Negativ-Klischees erstellt. Wo er betont leise und unterschwellig sein möchte, lärmt designter Existenzialismus. Zwischendurch gibt es doch noch so etwas wie ein Ziel und einen Hoffnungsschimmer. Sie wollte zu den Niagarafällen. Direkt vor den tosenden Wassermassen küssen sie sich. Im Handbuch für angewandte filmische Symbolik steht auf Seite dreitausendsiebenhundertzwölf: Herabstürzende Wassermassen bedeuten brandendes Gefühl, aufschäumende Emotionen. (...)

So etwas funktioniert. Im bis auf den letzten Platz besetzten Delphi- Kino hatten die Zuschauer nichts Besseres im Sinn, als in einer Art mimetischem Reflex nach Ende des Films das Geräusch der Niagarafälle durch lautes Klatschen zu imitieren. The Pawlow Dogs take command. Manfred Riepe

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