Bildschnee: Erotische Umhänge
■ Lillehammer im Fernsehen (Teil 5)
Wenigstens sind unsere Sportreporter – gleich von welchem Sender – nicht so heuchlerisch zu behaupten, in Lillehammer ginge es um Kultur, ja, um die Rettung des Abendlandes vor sich selbst. Kurzum: Man sucht uns zu befriedigen, die wir den Kampf um Tausendstel und um richtigen Kufenschliff lieben. Bei aller Anteilnahme an den allseits gerühmten Kuschelspielen blieb der kühnste, ja avantgardistischste Akzent der ganzen Veranstaltung ungewürdigt.
Sprechen wir einmal nicht über in Felsen gehauene Eishockey-Arenen. Nein, die Rede muß kommen auf die Mode. Fielen die Helden und Heldinnen der früheren Sowjetunion früher vor allem durch strenge Kolchosenkleidung auf (und durch die schönste Nationalhymne, die Gott je schuf), kommen sie nun in atemberaubendem Look daher. Und das, während sich ansonsten ein neuer Einheitslook breitmacht, weil die internationalen Modehäuser inzwischen alle Teams ausrüsten.
Deutschland tritt schwarz- weiß-geflammt an, die Franzosen glänzen durch Unauffälligkeit; die Amis bevorzugen wie immer Gartenarbeitskleidung mit Iso-Fasern. Die Russen aber leuchten: kaftanähnliche Umhänge im Chic der Neunziger, Käppis, die Captain Kirk & seine Mannschaft wie Figuren aus der Augsburger Puppenkiste aussehen lassen. Edel schaut's aus, leger, beiläufig fast: man möchte die Schwärmerei kaum enden lassen, so erotisch können Textilien machen, die alles verhüllen – und fast alles versprechen.
Ach, es geht nicht um Sex beim Sport? Stimmt: Öffentlich- rechtliche Sender und ihre dröhnende Sippschaft legen den Gedanken immer wieder nahe. Allerletzte Chance: Sie mögen bitte herausfinden, wer die Fummel kreierte, wer die einstigen Bolschewisten zu derartig praktischer Selbstkritik zwang! Jan Feddersen
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