■ Eine höhere Stufe des Gauweilertums in NRW
: Matthiesens Müllvermeidung stinkt

Für die Pflege seines nordischen Haarschopfes mußte keine Fraktionskasse bluten. Auch kleine Freundschaftsdienste à la Gauweiler sind von ihm nicht bekannt. Nein, wenn der sich gern als „Kronprinz“ von Rau betrachtende Matthiesen scheitert, dann nicht an profanen Geldgelüsten, sondern an der süßen Sucht nach Macht und seiner Vorliebe für geschickt inszenierte PR-Kampagnen, die für hohe Popularitätswerte sorgen. Kurz vor der Landtagswahl 1990 brachte Matthiesen sich noch einmal mit einer sogenannten Müllvermeidungskampagne, die exakt am Samstag vor dem Wahltag endete, beim Wahlvolk in Erinnerung. Außerplanmäßig gewährte ihm dafür der Finanzminister 5 Millionen Mark. Der zuständige Finanzbeamte hat vor dem Düsseldorfer Untersuchungsausschuß inzwischen ausgesagt, daß Matthiesen zur Erlangung der Mittel „unwahre Tatsachen vorgetragen“ und ihn „getäuscht“ habe. Matthiesen hatte die Dringlichkeit der Kampagne vor allem mit dem Fortfall von Deponierungsmöglichkeiten in der DDR begründet, obgleich Hausmüll aus NRW nie in die DDR exportiert worden war. Als der Widerspruch durch Aktenfunde öffentlich wurde, überraschte Matthiesen das Publikum mit der Erklärung, das DDR-Argument habe er seinerzeit angeführt, weil im Falle der Schließung der ostdeutschen Deponien Nordrhein-Westfalen Hausmüll aus anderen Ländern hätte aufnehmen müssen: eine durch nichts belegte Behauptung.

Ein Aktenabgleich von Fotokopien aus Finanz- und Umweltministerium legt zusätzlich den Verdacht einer Manipulation nah: Zwei Kopien von ein und demselben Original weisen unterschiedliche Schreibweisen auf. Matthiesen hat gestern den Fälschungsvorwurf empört zurückgewiesen. Das fragliche Schriftstück sei nicht wegen verfänglicher Anmerkungen auf dem Original, sondern wegen orthographischer Fehler neu geschrieben worden. Ob das Original noch existiert, ließ er offen. Ob Matthiesens Darstellung zutrifft, steht außerdem dahin.

Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Ministers nähren aber schon der bisherige Verlauf der Affäre und die Vernehmung der Zeugen vor dem U-Ausschuß. Während den Beamten aus dem Finanzministerium die Einzelheiten der außerplanmäßigen Kampagne noch gut erinnerlich waren, litten die hochbezahlten Topbeamten aus Matthiesens unmittelbarer Umgebung an einem seltsamen Gedächtnisschwund, der sie immer gerade dann plagte, wenn es kritisch für ihren Chef wurde. „Kieler Krankheit“ haben die Grünen das Phänomen getauft.

Walter Jakobs