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Blutiger Landkrieg im Norden Ghanas

■ Militärs zählten 1.000 Tote / Ein alter Umsiedlungskonflikt

Berlin (taz) – Über 1.000 Menschen sind in den letzten Wochen bei ethnischen Konflikten im Norden Ghanas ums Leben gekommen. Die Kämpfe haben zu einer Massenflucht in das Nachbarland Togo und in den Süden Ghanas geführt; nach Angaben der britischen Hilfsorganisation „Oxfam“ sind 148 Dörfer „dem Erdboden gleichgemacht“ worden. Präsident Jerry Rawlings hat über die Region das Kriegsrecht verhängt.

Es ist nicht das erste Mal, daß in der Region blutige Konflikte ausbrechen. Und es ist kein Zufall, daß immer dieselbe Gegend betroffen ist. Es handelt sich um einen Landstrich nördlich des riesigen Sees, der durch den Bau des 1966 eröffneten Volta-Staudamms entstand. Zehntausende Menschen mußten damals dem Stauwasser weichen und zwangsumgesiedelt werden. Mit offenen Armen wurden sie nirgends empfangen – kein Wunder, da die durch den Damm erzeugte Elektrizität ja auch keineswegs der Landbevölkerung zugute kommt.

Hauptgruppe unter den Umgesiedelten waren die Konkombas, die unter anderem in das Gebiet der Nunumbas zogen. Diese gehörten zur grundbesitzenden Elite Nordghanas, Nutznießer der Kolonialzeit, in der die britischen Herren ihre Macht durch die Bestätigung der örtlichen Ungleichheitsverhältnisse abgesichert hatten. Die Nunumbas erklärten sich widerstrebend bereit, den Konkombas Land zu verpachten. Aber die ganzen 70er Jahre blieb das Zusammenrücken der Nunumbas und anderer betroffener Völker mit den Konkomba-Zuzüglern prekär. Während die Konkombas mehr Land forderten, warf man ihnen vor, eigentlich aus Togo zu stammen. Bereits 1981 kam es zu bewaffneten Zusammenstößen.

Die Lage verschärfte sich nach dem Militärputsch des Fliegerleutnants Jerry Rawlings in der Silvesternacht von 1981 auf 1982. Rawlings rief die Ghanaer zum Kampf gegen Feudalismus und Korruption auf und ließ zu diesem Zweck im ganzen Land „Komitees zur Verteidigung der Revolution“ bilden – bewaffnete Milizen, die formal nicht einmal der Zentralregierung unterstanden. Die Austeilung von Waffen und die Ermunterung, gegen „Feudalisten“ vorzugehen, führte dazu, daß der Norden Ghanas Schauplatz militärisch ausgetragener Landkonflikte wurde, bei denen auch die Konkombas kräftig mitmachten. 1985 zerstörten Konkomba-Trupps Dutzende Dörfer des Moba-Volkes; 6.000 Menschen flohen nach Togo. Die darauffolgenden Rachefeldzüge zogen noch andere Volksgruppen mit hinein und forderten zahlreiche weitere Menschenleben. Der britische Ethnologe Paul Nugent, der das Konfliktgebiet bereiste, berichtete 1987 in Cambridge von menschenleeren Landstrichen, verkohlten Dörfern und – schon damals – über 1.000 Todesopfern.

Inzwischen ist Rawlings kein Revolutionär mehr, und Ghana gilt weithin, vom IWF bis Bonn, als marktwirtschaftliches Musterland. Die Konkombas fordern derweil das Privateigentum an ihren Siedlungsgebieten. Offenbar um ihren Wunsch zu unterstreichen, begannen Konkomba-Gruppen vor zwei Wochen, nahe der Stadt Tamale Dörfer der Nunumbas und Dagombas anzugreifen. Die Kämpfe eskalierten schnell, bis Ende letzter Woche die Armee in das Konfliktgebiet vorrückte.

Befehligt von einem General mit dem schönen afrikanischen Namen Henry Joseph Smith, haben Soldaten jetzt Leichen aufgesammelt und an Straßenrändern verscharrt. Smith sprach gestern von „furchtbaren Massakern an unschuldigen Menschen, einschließlich Frauen und Kindern“. Bei den angegebenen 1.000 Opfern handele es sich nur um die von Soldaten gezählten Toten; zahlreiche weitere seien vermutlich in ihren Häusern verbrannt. Dominic Johnson

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