: „Das ist reine Notwehr“
■ Metallerstreik an der Küste / Tarifverhandlungen gescheitert / IG Metall-Chef: „Die Kollegen stehen wie eine Eins“ Von Kai von Appen
Der Tarifkonflikt in der Metallindustrie wird vermutlich im hohen Norden entschieden. Gestern erklärte die Große Tarifkommission der IG Metall-Küste das Scheitern der Tarifverhandlungen und beantragte für die 190.000 MetallerInnen bei der Frankfurter Gewerkschaftszentrale die Urabstimmung. Am Montag wird der Hauptvorstand über die Urabstimmungsanträge aller Bezirke entscheiden. IG Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller: „Was die IG Metall jetzt machen muß, ist reine Notwehr.“
Nach Auffassung Teichmüllers ist der Urabstimmungsantrag – den andere Bezirke bereits gestellt haben – für Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und nördliches Niedersachsen nicht „pro forma“ verabschiedet worden. Teichmüller: „Es gibt gewichtige Gründe, sich für die Küste als Urabstimmungs- und möglichen Arbeitskampfbezirk zu entscheiden“.
In der Tat: Da die Metall-Bosse angekündigt haben, auf Streiks mit flächendeckenden Aussperrungen zu antworten, versucht die Gewerkschaft, den Arbeitskampf zu regionalisieren, um so mögliche Fernwirkungen gering zu halten und wenigstens das „Konfliktpotential“ durch „Kalte Aussperrungen“ zu minimieren. Denn „Kalte Aussperrungen“ – also Produktionsstillegungen aufgrund von Streiks und Aussperrung in der Zulieferindustrie – sind der Horror der Gewerkschaft, da die Betroffenen dann kein Streikgeld bekommen und zum Sozialamt gehen müssen. Teichmüller: „Kampfmaßnahmen sind im Norden leichter als in anderen Bezirken auf einzelne Betriebe zu begrenzen. Ein Schiffbaubetrieb ist nicht so eng mit den Zulieferern verflochten wie es in der Automobilindustrie der Fall ist“. Tatsächlich sind durch Streiks bei Blohm + Voss, der Deutschen Airbus und den Philips-Betrieben in Hamburg oder bei den Howaldtswerken Deutsche Werft in Kiel kaum Auswirkungen auf den Süden der Republik zu erwarten.
Ein weiteres Argument für die Küste als Arbeitskampfgebiet ist nach Überzeugung Teichmüllers die hohe Kampfbereitschaft. Die Teilnahme von 160.000 MetallerInnen an den zwei Warnstreikaktionen zum Monatsbeginn zeige, daß der Bezirk Küste „wie eine Eins steht“. Zudem würde es bei den Unternehmern von Nordmetall „ein Nest der Mittelstands-Hardliner“ geben, die zu den Scharfmachern bei Gesamtmetall gehörten und die mal „auf Trab gebracht werden“ müßten.
Die Metall befürchtet allerdings – wenn es zu flächendeckenden Aussperrungen kommt – daß der Arbeitskampf schnell zu einem „Großkonflikt mit unübersehbaren Folgen“ ausarten könne. Dennoch sei die Gewerkschaft gezwungen, den Arbeitskampf zur Besitzstandswahrung aufzunehmen. Auf die Forderung der IG Metall nach 5,5 Prozent mehr Lohn und Gehalt sowie Arbeitsplatzgarantien hatte Nordmetall mit einem provokativen Forderungspaket geantwortet: Nullrunde bei Lohn und Gehalt, Streichung des Urlaubsgeldes und Wiedereinführung der 40-StundenWoche. Darüberhinaus sollen Silvester und Heiligabend reguläre Arbeitstage werden und Urlaub soll künftig nur noch für jeden voll gearbeiteten Monat gewährt werden. Hat jemand Urlaub oder ist einige Tage krank, bekommt er für diesen Monat keinen Urlaub. Teichmüller: „Durch diese maßlosen Forderungen und die totale Kompromißunfähigkeit wird die IG Metall regelrecht zum Streik gezwungen“.
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