: „Mach auf, die Auster!“
■ Der Bremer Michael Ramm sagte zum zweitenmal seine Premiere als Profiboxer ab und sorgt so für eine gelungene Boxveranstaltung in der Bremer Stadthalle / Horace Fleary ist nach Kampfabbruch Deutscher Meister im Supermittelgewicht
Michael Ramm, selbsternannte Boxhoffnung aus Bremen, ist auch drei Jahre nach Beginn seiner Profilaufbahn noch ungeschlagen. Am Samstag sagte der Bremer „Lokalmatador“ seinen ersten Profikampf gegen den Düsseldorfer Hans Metzger in der Bremer Stadthalle überraschend ab. Damit fiel die Profibox-Premiere des 31jährigen Klempners aus Kattenturm zum zweitenmal ins Wasser. Bereits vor drei Jahren hatte Ramm nach eigenen Angaben den Beginn seiner Karriere in der Hamburger Ritze abblasen müssen.
Auch diesmal machte Ramm gesundheitliche Gründe für seine Kampfabsage geltend. Er sei beim Sparring von seinem Gegner „niedergewalzt“ worden. „Eigentlich sollte das mein Abschlußsparring werden zur Vorbereitung auf diesen Kampf heute. Tatsächlich habe ich um mein Leben kämpfen müssen“, erklärte er am Samstag Abend.
Statt des Abschlußsparrings habe sich tatsächlich „eine sportliche Tragödie“ abgespielt, ein „Abschlachten“, dessen Folgen Ramm für sich selbst mit „schwerem Hirntrauma und Hirnblutungen“ beschrieb. Vier Ärzte aus zwei Krankenhäusern hätten ihn krankgeschrieben. „Eigentlich dürfte ich heute nicht einmal hier sein.“ Zu den weiteren Umständen wollte sich der verhinderte Profi aber nicht äußern. Weil es strikt verboten ist, daß Amateure auch nur im Sparring gegen Profis antreten, wollte Ramm keine Einzelheiten über den Vorfall ausbreiten.
Die 350 Zuschauer schlugen sich bei der Kampfabsage auf die Schenkel vor Vergnügen. („Bist du vor'n Sandsack gelaufen?“) Doch Ramm war gar nicht zum Lachen zumute. „Hört mich doch wenigstens erst an, bevor ihr eure blöden Kommentare abgebt“, erklärte er den Zuschauern mit Leichenbittermine und drohte: „Es kann durchaus sein, daß ich meine Profilaufbahn aus gesundheitliche Gründen ganz aufgeben muß.“
Nur eine hielt zu ihm. „Die Enttäuschung ist riesengroß“, erklärte Lieselotte Ramm, Veranstalterin des Boxabends und Mutter des Bremer Boxers. An die 70.000 Mark sollen die Ramms in die Veranstaltung investiert haben, die Zuschauer sorgten dafür, daß das Geldloch am Ende mit rund 25.000 Mark übersichtlich blieb. Pech für die Ramms: Parallel lief in der Wandsbeker Sporthalle in Hamburg am Samstag Abend eine zweite Profibox-Veranstaltung. „Die hat uns mindestens 300 bis 350 Zuschauer gekostet“, meinte Lieselotte Ramm, die nur unfreiwillig auf die Stadthalle IV als Austragungsort zurückgegriffen haben will. „Etwas kleineres konnten wir nicht bekommen.“
Immerhin gab es in der Bremer Stadthalle vier weitere Boxkämpfe am Samstag Abend, und viele Zuschauer, darunter etliche Sachkundige aus der Amateurboxer-Szene, führten nicht zuletzt Ramms Kampfabsage darauf zurück, daß das sportliche Niveau des Abends überraschend hoch lag. „Was ich bis jetzt gesehen habe, ist durchaus in Ordnung“, wunderte sich Manfred Henfling (44), ehemals Boxer beim ATSV Buntentor, nach den Vorkämpfen. Er war „aus Neugierde“ zusammen mit seinem ehemaligen Vereinskameraden Reinhard Lucka in die Halle gekommen. Daß Ramm zurückgezogen hatte, fanden beide „ein Segen für ihn und uns.“ Ramm selbst wartet nämlich nicht nur bis heute auf seinen ersten Profikampf, sondern hat auch noch nie als Amateurboxer im Ring gestanden. „Der ist völlig ohne Training. Es wäre Wahnsinn gewesen, wenn er sich in den Ring gestellt hätte.“ Bereits vor dem Kampf hatte es aus der Szene geheißen, daß Ramm nicht einmal als Amateur einen Kampf überstehen könnte.
„Allein der Hauptkampf war sein Eintrittsgeld wert“, erklärte auch Herwig Klaucßen, der langjährige gute Boxgeist von Tura Bremen. Darin standen sich in der Internationalen Deutschen Meisterschaft im Supermittelgewicht der Engländer und Wahlbielefelder Horace Fleary und der Holländer Reino van der Hoek gegenüber, ein „Techniker gegen einen Bolzer.“
In einem überaus schnellen Kampf mußte der Holländer immer wieder gegen die längere Reichweite des schwarzen Rechtsauslegers angehen, was er mit Kraft und Kampf vergeblich versuchte: In der vierten Runde hatte der Holländer die ersten blutende Wunde über dem Auge. Zu präzise hatten ihn die Kombinationen des Schwarzen getroffen. In der siebten Runde dann gab es „einen Riß direkt auf dem Augenlid, so daß das Augenlicht meiner Ansicht nach gefährdet war“, diagnostizierte Ringarzt Stefan Hoethusen, der den Kampf in der achten Runde abbrach. Der Sieger hieß Horace Fleary.
Zuvor hatte der Berliner Mario Lupp im Eröffnungskampf den Wolfenbütteler Mesut Kartal nach Punkten geschlagen, wobei er seinen Gegner mit knackigen Kombinationen zweimal zu Boden geschickt und sich damit die Sympathie der Zuschauer erworben hatte („Mach auf. die Auster!“). In einem zweiten Mittelgewichtskampf besiegte ebenfalls nach Punkten der Ungar Laszlo Murguly den Russen Ahmed Kartejew in sechs Runden, „ein feines Kämpfchen“.
Zwischen 1.000 und 4.000 Mark Gage inklusive Spesen strichen die Boxer ein. „Soviel muß schon sein, sonst kommt gar keiner mehr“, sagte Veranstalterin Lieselotte Ramm. Von den ursprünglich eingeplanten zehn Boxern waren gerade noch vier aufgelaufen, alle anderen waren Ersatzkandidaten. Der tschchische Kripomann Ladislav Durarik beispielsweise verdiente sich einfach ein schönes Taschengeld. 12 Minuten mußte der Schwergewichtler dafür die Schläge von Andreas Ludwikowski aushalten. Trotz 60 Pfund mehr auf der Waage hatte er dabei zwar das Nachsehen, konnte seinen Gegner aber so weit auf Distanz halten, daß er unbeschadet den Ring verließ.
Ob das Profiboxen in Bremen eine Zukunft hat, ist fraglich. Zwar kündigte Michael Ramm noch an, daß er eventuell als Veranstalter weitermachen wolle, jedoch dürfte sein Name viele potentielle Zuschauer in Zukunft abhalten. Markus Daschner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen