: Neuwahl beendet Konflikt
■ Umstrittener Rektor der Fachhochschule für Sozialarbeit muß abtreten / Nachfolgerin soll Fachhochschule befrieden
„Die Hauptsache ist, daß Wolff weg ist. Aber er stand ja auch mit dem Rücken zur Wand.“ So beurteilt Ute Lindhauer, bis vor kurzem Studentenvertreterin im Akademischen Senat (AS) und im Studentenparlament, das Ergebnis der Rektoratswahl an der Alice- Salomon-Fachhochschule für Sozialarbeit. Reinhart Wolff, bisheriger Hochschulleiter, Alt-68er und an der Seite Katharina Rutschkys medienwirksam um den „Mißbrauch mit dem Mißbrauch“ besorgt, erhielt nur 3 der 24 Stimmen im Professoren-dominierten Konzil der Fachhochschule. Die Professorin für Sozialpolitik, Christine Labonte-Roset, wurde mit 14 Stimmen zur neuen Rektorin gewählt. Die 52jährige lehrt seit 1976 an der FH und war einmal Prorektorin. Ihre Wunschstellvertreterin, die Psychologin Birgit Rommelspacher, fiel trotz Absprachen und fehlender GegenkandidatInnen durch. Die Mehrheit scheint ein eher ausgleichendes Rektorat zu wollen. „Rommelspacher ist den Herren einen Zacken zu feministisch“, glaubt Ute Lindhauer.
Wolff selbst hat mit seiner Niederlage gerechnet, und auch sonst hat sie an der FH niemanden überrascht. Während seines ganzen Rektorats war er umstritten, vor einem Jahr hatte ihn der Akademische Senat bereits zum Rücktritt aufgefordert. Anlaß damals: der Standortwechsel nach Hellersdorf. Der Backsteinbau der FH in Schöneberg ist zu klein, und deshalb wird seit langem nach neuen Räumlichkeiten gesucht. Doch die meisten Hochschulmitglieder wollen sich nicht an den Stadtrand drängen lassen. 90 Prozent von ihnen sprachen sich bei einer Urabstimmung gegen den Umzug aus. Labonte-Roset: „Sozialarbeit gehört ins Zentrum der Stadt.“ Dennoch trat Wolff weiterhin auch nach außen für den Wechsel nach Hellersdorf ein. Im Gegensatz zu den anderen HochschullehrerInnen sei er bereit, sich „den brennenden Fragen der Hochschule zu stellen“, vertritt er. Obwohl der Neubau in Hellersdorf inzwischen vom Senat abgesegnet ist, will die neue Rektorin ihn verhindern.
Nicht nur in dieser Frage hatte Wolff einen schweren Stand: „Alles, was von Rektor Wolff versucht wurde, ist im Akademischen Senat gescheitert“, urteilt FH-Pressesprecher Nils Rosenberg. Wolff habe weder eine Mehrheit für eine neue Studien- noch für die neue Prüfungsordnung im Bereich Sozialarbeit bekommen. Seine Idee eines Abendstudiengangs für TeilzeitstudentInnen sei gescheitert und der neue Fachbereich „Pflegemanagement“ heiß bekämpft worden. Auch die Frauenbeauftragte der FH ist nicht gut auf den alten Rektor zu sprechen: Er habe die Einführung von Frauenförderrichtlinien an der Hochschule „sabotiert“, sagt Birgitta Hentschel. Der AS habe die Richtlinien bereits im Juli 1992 mit großer Mehrheit verabschiedet, doch Wolff weigerte sich, sie in Kraft zu setzen. Das „Benehmen“ mit dem Kuratorium sei nicht hergestellt, argumentierte er formal. Umstritten ist, ob dazu eine Diskussion reicht oder ob das Gremium zustimmen muß. Doch auch inhaltlich sträubt Wolff sich gegen den Entwurf der Frauenbeauftragten. Einer der Streitpunkte: Werden Frauen nur bei gleicher Qualifikation bevorzugt, wie Wolff verficht, oder reicht dazu die für den Job erforderliche Qualifikation aus, was den spezifischen Berufswegen von Frauen mehr entgegenkäme? Selbst beim Wissenschaftssenator hofft man, daß sich mit der neuen Rektorin in dieser Frage ein Kompromiß finden läßt.
Labonte-Roset will die „demokratischen Strukturen“ stärken, eine „Streitkultur“ zurück an die Hochschule bringen. Das scheint notwendig, denn Wolffs Führungsstil wird an der FH als autoritär, selbstherrlich und zu stark auf sich selbst gerichtet kritisiert. Mit dem Kongreß „Sexueller Mißbrauch – Evaluation der Praxis und Forschung“ hatte Wolff Ende Januar dieser Kritik noch einmal Vorschub geleistet: Die Tagung sei als eine der Hochschule angekündigt worden, habe jedoch Hochschullehrerinnen, die in diesem Bereich arbeiten, aber eben eine andere Meinung vertreten, nicht mit einbezogen, kritisiert Labonte-Roset. Der Einladungstext sei „relativ einseitig“ und „polemisch“ gewesen. Dort war von „uferloser Verdächtigungshysterie“ und „ideologisierter Mißbrauchspanik“ die Rede. Die Mitarbeiterinnen aus der feministischen Projektebewegung wie die „Wildwasser“-Frauen, die seit zehn Jahren mit mißbrauchten Mädchen und Frauen arbeiten, waren nicht eingeladen. Ihr Abschlußbericht jedoch war Thema eines Referats. Labonte- Roset: „Dann hätte man ihnen auch die Möglichkeit geben müssen, offiziell Stellung zu nehmen.“ Resultat: Die Mehrheit der Hochschullehrer distanzierte sich von der Tagung, die StudentInnen protestierten dagegen. Sabine am Orde
Siehe auch Portrait Seite 28
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