: Renaissance der „Elektrischen“ fürs nächste Jahrtausend
■ BSAG will mit acht Straßenbahnlinien ins Jahr 2015 fahren
Die „Elektrische“ wird nach dem Willen der Bremer Straßenbahn AG (BSAG) eine ungeahnte Renaissance erleben: In 10 bis 20 Jahren soll es sich mit acht Straßenbahnlinien auf 116 Schienenkilometern vortrefflich durch ganz Bremen und bis ins niedersächsische Umland hinein reisen lassen. Zukunftsmusik der BSAG, deren Ouvertüre aber Anfang nächsten Jahres mit Baubeginn der neuen Linie 4 endlich gespielt werden soll.
Die Erschließung von Borgfeld per Bahn ist in den Koalitionsvereinbarungen ebenso beschlossene Sache wie die Erweiterung der Linie 6 zur Universität (geplanter Baubeginn Frühjahr –96) und der Linie 2 nach Tenever (ab 1998). Doch über diese erste Ausbausstufe hinaus, die insgesamt 290 Millionen Mark kosten wird, hat die BSAG weiter in die Zukunft geplant – oder in die Vergangenheit, je nach Sichtweise. Denn das „Utopie-Netz“ für das Jahr 2015 entspricht nahezu dem längst vergangener Zeiten und reicht an die Blütezeit der „Elektrischen“ in den 30er Jahren nicht einmal heran. Noch 1952 waren elf Linien im Einsatz, und 1965 wurde eine Strecke stillgelegt, die nun fürs nächste Jahrtausend wiederbelebt werden soll: die Linie 7 von Woltmershausen nach Findorff. Fremd waren damals allerdings Begriffe wie „Park & Ride“ – mehrere solcher Großparkplätze sollen an den neuen Schienenstrecken entstehen. Technisch neu ist auch, daß die Linie 2 nach Tenever (bislang nach Sebaldsbrück) an der Hemelinger Föhrenstraße auf die Gleise der Deutschen Bahn einschwenken und dort neben dem ICE gen Hauptbahnhof fahren soll. Würden diese Pläne realisiert, rauschten die Fahrgäste in Zukunft in 22 Minuten von Tenever in die City statt in einer guten halben Stunde.
Besonders mit der Linie 4 sollen die Menschen raus aus dem Auto und rein in die Bahn gelenkt werden – mit 10.000 Fahrgästen pro Tag und Richtung, darunter 15 Prozent „NeueinsteigerInnen“, wird gerechnet. Die Bahnen sollen aber auch große Teile des Busnetzes ersetzen oder entlasten; einige Hauptbusverbindungen werden wegfallen. Trotz der hohen Investitionen für das Schienennetz sind Straßenbahnen für die Betreiber auf lange Sicht erheblich billiger als Busse. Gewünschter Spareffekt bei der Linie 4: pro Jahr 2,4 Millionen Mark. Der Trend zur Schiene ist also nicht allein der Einsicht zu verdanken, daß der Kollaps des „Individualverkehrs“ nicht mehr lange auf sich warten lassen wird.
Von Verhandlungsergebnissen mit Niedersachsen wird abhängen, ob das niedersächsische Umland ebenfalls an das Bremer Schienennetz angeschlossen werden kann: gedacht wird an die Verlängerung der Linie 4 nach Lilienthal, und auch PendlerInnen aus Brinkum oder Weyhe haben Chancen, ihr Auto endlich abschaffen zu können. Endgültig abgeschafft scheint laut BSAG jedenfalls eins: der Plan, die Straßenbahn von der Obern- in die Martinistraße zu verlegen. Für eine Aufwertung der Innenstadt sei dies sinnlos. skai
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen