Eine Müllkippe für Oberneuland?

■ „Runder Tisch“ will sechs Deponie-Standorte genauer prüfen / Favorit: Blockland-Erweiterung

Wohin soll im Jahr 2000 Bremens Müll gekippt werden? Kaum eine Frage dürfte Anwohner, Politiker und Umweltinitiativen in den nächsten Jahren mehr erregen als diese. Denn schließlich geht es dabei nicht nur um einen stinkenden Abfallhaufen in der Nachbarschaft. Auch der Verkehr von rund 500 Müll-Lastern und vielen weiteren Kleinanlieferern pro Tag müßte erduldet werden.

Sechs mögliche Flächen für Bremens neue Deponie hat jetzt der „Runde Tisch Deponiestandortsuche“ benannt. Das 20köpfige Gremium, in dem Vertreter des Unternehmerverbandes neben Umweltaktivisten und Stadtteilpolitikern sitzen, hat diese Vorauswahl nach einjähriger Arbeit bei nur einer Gegenstimme beschlossen. Neben einer Erweiterung der bestehenden Blocklanddeponie stehen die Oberneuländer Wiesen vor dem Holler Deich, die Osterholzer Feldmark, die Hemelinger Marsch, das von Klöckner abgetretene ehemalige Werksgelände und ein Teil des Gewerbegebiets Niedervieland auf der Liste des Runden Tisches.

„Wir haben bisher allerdings weder ökologische noch ökonomische Kriterien berücksichtigt“, schränkt Frank Claus, einer der Moderatoren des „Runden Tisches“ vom Dortmunder IKU-Institut, vorsichtig ein. Die Vorauswahl sei lediglich eine Negativauswahl: Nachdem auf einem großen Bremer Stadtplan alle Flächen abschraffiert waren, die entweder mit Häusern oder Kleingärten bebaut, als Wasserschutzzonen, Überschwemmungs- oder Naturschutzgebiete ausgewiesen, bewaldet, als Sicherheitszone für den Flughafen benötigt oder einfach zu klein sind, blieben nur noch die genannten sechs Gebiete übrig, auf denen die neue, rund 400 mal 400 Meter große und 25 Meter hohe Deponie prinzipiell überhaupt eingerichtet werden könnte. Bis zum 27. April will der „Runde Tisch“ seine Vorauswahl nun unter ökologischen, sozialen, wirtschaftlichen und sonstigen Kriterien gewichten und mit „möglichst drei“ echten Standortvorschlägen an die Öffentlichkeit gehen.

So jedenfalls hofft Bernd Peters, Ortsamtsleiter im Bremer Westen. Er möchte mit allen Mitteln die naheliegendste Variante, nämlich eine Erweiterung der in seinem Zuständigkeitsbereich liegenden Blocklanddeponie, verhindern. So ganz glaubt er zwar selber nicht daran, daß das möglich sein wird. Doch selbst wenn am Ende wieder nur die Blocklanddeponie herauskommen würde, sei die Arbeit am Runden Tisch nicht umsonst gewesen. „Auch die Oberneuländer müssen sich jetzt erstmal damit auseinandersetzen, wo denn der Dreck bleiben soll, den sie ja selber mitproduzieren“, hofft zum Beispiel Klaus Prietzel von Recyclinghof Findorff. Und Bernd Huse (CDU), Sprecher des Gesamtbeirats, meint: „Für uns war es sehr interessant, die Standortsuche in einem so offenen Verfahren einmal durchzuspielen. Über das Ergebnis muß dann die politische Diskussion geführt werden.“

„Der Weg ist das Ziel“ meint denn auch Umwelt-Staatsrat Uwe Lahl über die Arbeit des „Runden Tisches“. Zwar glaubt auch er nicht ernsthaft daran, die potentiellen Gewerbegebiete Hemelinger Marsch, Niedervieland oder das direkte Klöckner-Umfeld politisch als Deponiefläche durchsetzen zu können. Und auch die bereits als Wohngebiet untersuchte und aus Umweltgründen wieder aufgegebene Osterholzer Feldmark sowie die verkehrsmäßig völlig unerschlossenen Oberneuländer Wiesen werden sich sicher nicht plötzlich als vorzügliche Müllplätze entpuppen. „Doch es ist eben ein anderer Erlebnisprozeß, selber einmal die Standortsuche durchgespielt zu haben“, meint Ortsamtsleiter Peters. Er spekuliert nun vor allem auf ein „Kompensationsgeschäft“ für seinen, mit Müll bereits besonders belasteten Stadtteil.

Dirk Asendorpf