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Eine Ideenbörse gegen Rechts in Europa

■ Antirassistisches Treffen in Straßburg für mehr Kooperation und praktische Tips

Straßburg (taz) – Kurz vor der „Woche der Toleranz“ hatte die europäischen Sozialisten der Mut verlassen. Sie ließen ihr Dokument über Rassismus und Faschismus in der Europäischen Union doch nicht verbreiten. Der Report, der Land für Land die rechtsextremen Umtriebe und die rassistischen Übergriffe der letzten Jahre auflistet, war vor allem dem sozialistischen Regierungschef Spaniens, Felipe Gonzáles, zu unangenehm.

Jetzt, zwei Monate später, kam das Papier doch noch zu Ehren. Bei der bisher größten Konferenz antirassistischer Organisationen in Europa, die in der vergangenen Woche in Straßburg stattfand, diente es als Informationsgrundlage. Dabei blieb den 145 Delegierten aus 36 Ländern eine Grundsatzdiskussion über die verschiedenen Erscheinungsformen des Rassismus, Faschismus und Nationalismus erspart: „Das hier ist ein Treffen von Praktikern“, meinte Jürgen Schaefer vom Veranstalter „United“, einem Netzwerk für interkulturelle Aktionen, „die Definitionen hätten uns mindesten vier Tage gekostet, das überlassen wir lieber den Professoren.“ Viel wichtiger sei, die Zusammenarbeit in Ost- und Westeuropa auszubauen.

Aber im Verlauf der Konferenz zeigte es sich dann doch, daß die Kommunikation nicht immer ganz einfach ist. Vlatko Sekulović, ehemaliger serbischer Parlamentsabgeordneter und jetzt dabei, die antinationale Opposition gegen Milošević wieder zu stärken: „Man kann nicht laut genug hinausschreien, wie gefährlich Nationalismus ist, und wie schnell es zu spät ist.“ Widerspruch mußte er für seine düsteren Mahnungen nicht befürchten, aber die antirassistisch engagierten belgischen Naturfreunde und die christliche Jugend Norwegens sahen zeitweise etwas ratlos aus. Viele waren nach Frankreich gereist, um praktische Tips für Aktionstage und moralische Unterstützung für die Flüchtlingsarbeit abzuholen. „Wir haben uns bei der Auswahl der Teilnehmer bemüht, eine bunte Mischung zusammenzustellen“, sagt Geert Ates von United und rechtfertigt das Ergebnis damit, daß es ohnehin keine einheitliche Strategie gegen Rassismus, Faschismus und Nationalismus gebe. Jede Gruppe müsse selbst herausfinden, was sie wie erreichen wolle.

Manche Gruppen haben vor allem herausgefunden, daß sie immer schon recht hatten, wenn sie über andere die Nase rümpften. „Alles Müslis“, haderte der Vertreter des österreichischen Studentenverbandes, der verzweifelt versuchte, eine knackige Resolution gegen die europäische Flüchtlingspolitik durchzubringen, die dann am Samstag vors Europaparlament gebracht werden sollte. Den Freitag abend verbrachte er dann damit, politisch weniger erfahrene Antirassisten in die Grundregeln der Demovorbereitung einzuweisen.

Überhaupt fanden die praktischen Übungen stärkeres Interesse, vor allem die Frage, wie man das politische Unbequemsein aus öffentlichen oder kirchlichen Geldern finanzieren kann. „Beim Geld werden fast alle Organisationen äußerst diskret“, erzählt Ates, „da wird eifersüchtig aufgepaßt, daß kein anderer an die Quelle rankommt.“ United macht deshalb Seminare zum Thema Finanzierungsquellen, wobei die Westeuropäer diesmal etwas enttäuscht waren, weil der Schwerpunkt auf die Möglichkeiten für Gruppen aus Ost- und Mitteleuropa gelegt wurde. Alois Berger

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